Evan, du hast dich schon im Bachelorstudium mit Diamanten beschäftigt und bist diesem Forschungsthema bis heute treu geblieben. Was fasziniert dich an Diamanten?
Ich finde es faszinierend, dass Diamanten für viel mehr als nur Schmuck verwendet werden können. Die Anwendungen reichen von Schneid-, Schleif- und Formwerkzeugen bis hin zu Hochleistungselektronikgeräten und Nachtsichtgeräten. Letztere haben mein Interesse an diesem Material geweckt. Das war im dritten Studienjahr meines Bachelorstudiums am University College London.
Wofür werden Diamanten in der Mikroproduktionstechnologie verwendet?
Diamanten haben eine Reihe bemerkenswerter Eigenschaften und sind deshalb ideal geeignet für zahlreiche mikrosystembasierte Anwendungen.
Beispielsweise ist das Material Diamant eins der stärksten, wenn nicht sogar das stärkste Material, das Forschern im Sinne von Festigkeit bekannt ist. Schallwellen können sich deshalb unglaublich schnell darin ausbreiten. Dies ermöglicht es, miniaturisierte mechanische Resonatoren zu entwickeln, die mit viel höheren Frequenzen arbeiten als Resonatoren aus anderen Materialien. Diese Diamantresonatoren können in grundlegenden physikalischen Anwendungen eingesetzt werden, beispielsweise um die Anwendbarkeit der Quantenmechanik auf makroskopische Objekte zu demonstrieren. Sie haben auch praktische Anwendungen, wie beispielsweise die Hochfrequenzfilterung zur Trennung von Signalen, die über Kommunikationstechnologien wie WLAN, 5G und so weiter gesendet werden.
Was die optischen Eigenschaften angeht, hat Diamant einen hohen Brechungsindex und ein breites Transmissionsfenster. Dadurch eignet sich das Material gut für photonische Schaltungen, die Licht anstelle von Elektronen für die Informationsverarbeitung verwenden. Werden kleine Mengen von Elementen wie Stickstoff oder Silizium zum Diamantgitter hinzugefügt, können auch Defekte erzeugt werden – sogenannte Farbzentren. Solche Farbzentren können genutzt werden, um winzige Veränderungen in der Umgebung zu erkennen und als Bausteine für Quantencomputer dienen. Das macht Diamant für die Optik- und Photonikforschung an der Leibniz Universität Hannover und innerhalb des PhoenixD-Konsortiums hochinteressant.
Darüber hinaus gibt es auch einen wachsenden Trend zur Miniaturisierung von Hochleistungs-III-V-Halbleiterbauelementen, um mehr in einem gegebenen Bauvolumen unterzubringen und gleichzeitig höhere elektrische Ströme zu bewältigen. Dabei entsteht Wärme, die die Leistung verringert und die Lebensdauer der Bauelemente verkürzt. Da Diamant die höchste Wärmeleitfähigkeit aller massiven Materialien besitzt, besteht großes Interesse daran, dünne Diamantschichten in direktem Kontakt mit diesen Bauelementen zu verwenden. Dadurch ließe sich die Wärme ableiten und eine weitere Miniaturisierung ermöglichen.
Seit September 2023 baust du am IMPT die Gruppe „Diamantforschung“ auf. Woran arbeitet ihr im Moment?
Im Moment versuchen wir, alle Prozesse zu etablieren, die notwendig sind, um die von uns im Labor gezüchteten Diamanten routinemäßig nutzen zu können.
Eine der größten Herausforderungen bei dünnen Diamantschichten ist die oft erhebliche Rauheit, die nach dem Wachstum zurückbleibt und wegpoliert werden muss. Bei meiner vorherigen Arbeitsstelle haben wir dafür das Verfahren des chemisch-mechanischen Polierens (CMP) verwendet. Dabei kommt Siliziumdioxid zum Einsatz, also im Wesentlichen Sand im Nanomaßstab. Die Technik funktioniert, ist aber sehr langsam. Deshalb arbeiten wir hier am IMPT an alternativen Poliertechniken und versuchen gleichzeitig, den CMP-Prozess selbst zu beschleunigen. Das ist derzeit meine Hauptaufgabe im Labor.
Außerhalb des Labors betreue ich Studierende und Wissenschaftliche Mitarbeitende, akquiriere Fördermittel und teile meine Expertise in verschiedenen Kooperationen.
Stell dir vor, du blickst in 10 Jahren auf deine Arbeit am IMPT zurück: Was möchtest du bis dahin erreicht haben?
Ich würde mir wünschen, dass das IMPT über eine gut etablierte Diamantgruppe verfügt, die für ihre solide Arbeit im Bereich der Verwendung von Diamanten in Mikrosystemen bekannt ist. Das IMPT verfügt über eine Reihe von Reinraumanlagen, und weitere werden zurzeit beschafft. Damit wird das Institut bestens ausgestattet sein, um fortschrittliche Diamantkomponenten herzustellen – und als Fertigungspartner für andere Diamantgruppen zu fungieren, die über neuartige Anwendungen und Methoden zur Charakterisierung verfügen, aber nicht unbedingt über die Mittel zur Herstellung.
Was unterscheidet die akademische Arbeit in Deutschland von der in Großbritannien? Welche Unterschiede haben dich überrascht?
Hier am IMPT ist mir aufgefallen, dass die Arbeit viel weniger spezialisiert ist. In Großbritannien hat man als Doktorand und später als Postdoktorand eng gezogene, bestimmte Aufgaben, die in den eigenen Zuständigkeitsbereich fallen. Hier am IMPT scheinen Wissenschaftliche Mitarbeitende und Postdocs zu einem breiteren Spektrum von Aufgaben beizutragen. Dazu gehört zum Beispiel die Drittmittelakquise, die technische Unterstützung, der tägliche Betrieb des Reinraums und so weiter. Das hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass man schon früh in seiner beruflichen Laufbahn mit diesen breiteren akademischen Themen vertraut gemacht wird. Das erleichtert zum einen den Aufstieg in der akademischen Laufbahn und vermittelt zum anderen ein breiteres Spektrum an Fähigkeiten, wenn man die akademische Laufbahn verlässt.
Was ist der Unterschied zwischen dem Leben in Niedersachsen und Wales?
Das Lebenstempo ist ähnlich wie in Südwales, und die Kultur und der Humor sind mir vertrauter als in vielen anderen Ländern.
Was vermisst du an Großbritannien?
Abgesehen von den offensichtlichen Dingen wie Familie und Freunden, vermisse ich eine gute Tasse Tee, Pub-Besuche am Freitag nach der Arbeit und Diskussionen über Rugby.

