Was wäre, wenn Waren in einer Fabrik- oder Lagerhalle wie von selbst über den Hallenboden gleiten könnten – ganz ohne Gabelstapler und ganz ohne Fließband? Daran arbeitet das ITA – Institut für Transport- und Automatisierungstechnik der Leibniz Universität Hannover im Forschungsprojekt „ModHalbo“.
In der gegenwärtigen Intralogistik werden beim Warentransport innerhalb von Lagerhallen sowie beim Warenein- und Warenausgang überwiegend Flurförderzeuge eingesetzt, beispielsweise Gabelstapler. Da diese manuell bedient werden müssen, ist die benötigte Zeit für diese Prozesse unter anderem abhängig von der Anzahl an nutzbaren Transportfahrzeugen und deren Bedienpersonal.
Neuartiger Hallenboden soll omnidirektionalen Transport ermöglichen
Um diese Prozesse zu beschleunigen und um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, forscht das ITA an einem neuartigen intralogistischen Grundelement (siehe Bild 1): Einem modularen Hallenboden für den omnidirektionalen Transport.
In den Boden werden drehbare Antriebsmodule mit Antriebsrollen eingelassen. Diese können Ladungsträger – beispielsweise Europaletten – in jede beliebige Richtung bewegen. Innerhalb des Forschungsprojekts wird primär der Be- und Entladebereich von Lagerhallen betrachtet (siehe Bild 2), das Prinzip könnte aber auch auf den gesamten Hallenbetrieb ausgeweitet werden.
Mittelstands-taugliche Alternative zu großen, automatisierten Lagerhallen
Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. Große Unternehmen mit großen Waren- und Lagerhäusern werden zunehmend automatisiert. Amazon gilt als Paradebeispiel für den technologischen Fortschritt in der Intralogistik. Die Verteilungszentren des Konzerns sind Spitzenreiter unter den automatisierten Lagerhallen.
Für KMU ist die Umsetzung solcher automatisierten Lagerhallen durch autonome Robotersysteme allerdings aufgrund der hohen Anschaffungs- und Instandhaltungskosten selten eine valide Option. Das Forschungsprojekt zielt deshalb auf eine günstige Alternative ab, die den Umsatz von KMU bemerkbar steigern kann.
Der modulare Hallenboden soll menschliche Arbeitskräfte nicht ersetzen, sondern ganz im Gegenteil unterstützen. Der modulare Hallenboden soll in bestehende Lagerkonzepte integriert werden und parallel neben den menschlichen Mitarbeiter*innen in der Lage sein, Ladungsträger durch die Lagerhallen zu ihren vorgesehenen Stationen zu transportieren.
Wesentliche Anforderungen: Hohe Traglast und sichere Unfallvermeidung
Um dies realisieren zu können, bestehen im Wesentlichen zwei große Anforderungen an den Hallenboden: Zum einen müssen die Steuerungsalgorithmen in der Lage sein, Kollisionen von Ladungsträgern untereinander sowie mit Menschen, Transportgeräten und -maschinen zwingend zu vermeiden – zum anderen muss die Mechanik des Hallenbodens zusätzlich Gewichte von beladenen Flurförderzeugen aushalten können, die ihrem normalen Betrieb nachgehen.
Zur Kollisionsvermeidung wird ein Bahnplanungsalgorithmus implementiert, der auf dynamische Hindernisse reagieren kann, die mittels Kameras erkannt werden. Die Antriebsmodule sind omnidirektional ausgelegt: Damit können Objekte viel flexibel und effizienter transportiert werden, als es mit rein orthogonaler Bewegung möglich wäre. Um die Sicherheit zu erhöhen, wird zusätzlich noch eine übergeordnete Überwachung programmiert, die beim Übertreten eines standardisierten Mindestabstandes den Ladungsträger zum Stoppen bringt.
Um den normalen Betrieb in einer Lagerhausumgebung zu gewährleisten, muss es möglich sein, die Fläche mit beladenen Flurförderzeug zu befahren, die bis zu 9 Tonnen wiegen. Dabei wird es angestrebt, das Gewicht auf möglichst viele Module zu verteilen. Die Herausforderung hier liegt hier darin, eine preiswerte, aber robuste Konstruktion zu entwickeln, die das Gewicht tragen und damit die elektrischen Antriebe schützen kann.
Ziel: Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen steigern
Mit der erfolgreichen Entwicklung eines solchen modularen Hallenbodens sollen KMU in der Lage sein, sich besser in der Wirtschaft behaupten zu können – auch gegenüber großen Unternehmen mit voll automatisierten Lagerhallen – und so wettbewerbsfähig bleiben zu können. Das Forschungsprojekt wird voraussichtlich Anfang 2027 beendet.