Quantum Valley Lower Saxony (QVLS) versteht sich als verbindendes Organ, das die wissenschaftliche Expertise im Bereich der Quantentechnologien, die Industrie und die Politik zusammenführt, um ein Netzwerk für die Erforschung sowie den Transfer von Quantentechnologien in Niedersachsen aufzubauen.
Neben der Physikalisch Technischen Bundesanstalt Braunschweig sowie der Technischen Universität Braunschweig ist auch die Leibniz Universität Hannover einer der wissenschaftlichen Partner, die sich intensiv mit unterschiedlichen Themen der Quantentechnologien befassen.
Dies geschieht unter anderem im Forschungsprojekt QVLS-Q1, welches das Ziel hat, bis zum Ende des Jahres 2025 einen Quantencomputer mit 50 Qubit zu entwickeln. Dieser Quantencomputer soll auf der Ionenfallentechnologie basieren, die als besonders vielversprechend eingeschätzt wird, um die Systeme kontinuierlich zu vergrößern.
Auf dem Weg zum Quantencomputer im Forschungsprojekt QVLS-Q1
Die Entwicklung funktionsfähiger Quantencomputer gilt als Schlüsseltechnologie für die Zukunft und steht daher im Fokus internationaler Forschung und Entwicklung. Zur Informationsverarbeitung werden Prinzipien der Quantenmechanik genutzt, was die Quantencomputer befähigen soll, komplexe Probleme besonders effizient lösen zu können. Dazu gehören zum Beispiel Simulationen von Material- oder Moleküleigenschaften, wie sie für die Physik, Chemie und Pharmazie von großer Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise Durchbrüche in der Entwicklung neuer Medikamente erwartet.
Im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Quantencomputers im Rahmen von QVLS-Q1 ist das Institut für Mikroproduktionstechnik (IMPT) an drei Teilprojekten beteiligt. Namentlich sind das die Teilprojekte T2.4 Atom chips, T3.1 Hybrid integration und T3.3 Vacuum technology.
Im Teilprojekt T3.1 arbeitet das IMPT an Konzepten zur Integration der Kernkomponente des Quantencomputers, dem Ionenfallenchip, in den Gesamtaufbau. Diese Integration umfasst die mechanische Fixierung und elektrische Kontaktierung des Ionenfallenchips sowie die Positionierung von Komponenten, die für den Betrieb notwendig sind, in der Nähe der Chipoberfläche beziehungsweise der Chiprückseite. Die Teilprojekte T2.4 und T3.3 sind hingegen nicht direkt mit der Entwicklung der Ionenfalle assoziiert, sondern beinhalten weitere Aspekte des Aufbaus und die Ausnutzung quantentechnologischer Effekte.
Forschende am IMPT entwickeln multifunktionale Atomchips
Teilprojekt T2.4 befasst sich mit multifunktionalen Atomchips, welche für quantengravimetrische Experimente verwendet werden. In diesen Experimenten werden hochpräzise Messung von Gravitationsfeldern gemacht. Die Messungen können einerseits genutzt werden, um beispielsweise unterirdische Rohstoffe oder Wasservorkommen zu detektieren, andererseits können sie durch die präzisen Messwerte bei der Klärung physikalischer Theorien helfen.
In Atominterferometern wird die in der Quantenmechanik beschriebene Wellennatur von Materie für die Messungen ausgenutzt. Atome werden hierzu in einer sogenannten magneto-optischen Falle gefangen, heruntergekühlt und in einen makroskopischen Quantenzustand, das Bose-Einstein Kondensat, überführt. Unter Einsatz von Lasern werden die Atome in zwei unterschiedliche Gravitationspfade geteilt und analog zu einem Interferometer wieder zusammengeführt. Die Wellennatur führt bei der Wiedervereinigung zur Ausbildung von Interferenzmustern, welche sehr sensibel auf Änderungen im Gravitationsfeld reagieren.
Zur Realisierung und Miniaturisierung der magneto-optischen Falle forscht das IMPT seit Jahren an der Fertigung und Weiterentwicklung besagter Atomchips, da diese das Herzstück der Fallen darstellen.
Die Chips werden hierzu mehrschichtig aufgebaut und bestehen aus einem Siliziumsubstrat mit geätzten Leiterbahnstrukturen, Isolationsschichten, verfüllten Goldleiterbahnen und einer optischen Beschichtung. Insgesamt werden zwei Chips miteinander gefügt, die sich auf einem keramischen Träger befinden, der Wärme abführt und Drähte für weitere notwendige Magnetfelder führt. Über einen Kupferhalter und herkömmliche Vakuumflansche werden die Komponenten in eine Vakuumkammer eingebaut.
An dieser Stelle setzt das Teilprojekt T2.4 an, da die Miniaturisierung des Gesamtaufbaus das ausgewiesene Ziel ist. Hierzu sollen die Chips als Teil der Außenwand der Vakuumkammer betrachtet werden. Auf diese Weise befinden sich viele Komponenten nicht mehr innerhalb der Vakuumkammer (Keramik, Kupferhalter, Vakuumflansch), sodass diese deutlich kleiner werden kann. Das reduziert die notwendige Pumptechnik, was ein großer Vorteil ist. Der Gesamtaufbau wird folglich leichter, handlicher und benötigt aufgrund der geringeren Pumpleistung auch weniger Energie.
Umgesetzt wird dies durch die Verkapselung der Atomchips mit einer Glaszelle. Die Fügeverbindung zwischen Atomchip und Glaszelle muss dabei besonders dicht sein, um das Vakuum aufrecht zu erhalten. Es konnten bereits mechanisch sehr stabile Verbindungen erzeugt werden, sodass der Fokus zukünftiger Untersuchungen auf der Dichtheit der Fügeverbindungen liegt.
Miniaturisierte Atomquellen: Welche Elemente eignen sich am besten?
Mit dem Teilprojekt QVLS T3.3 befasst sich das IMPT außerdem auch mit der Entwicklung miniaturisierter Atomquellen für verschiedene quantentechnologische Systeme. Die Atomquelle ermöglicht dabei die zielgenaue Generation von Dampfphasenatomen einer spezifischen Atomsorte und ist eine der Kernkomponenten für Quantensysteme auf Basis ultrakalter Atome. Dabei ist es besonders wichtig, den Massenfluss der Atome zu kontrollieren und die Reinheit der Dampfphasenatome zu garantieren, um die Effizienz des Laserkühlens und Laserfangens dieser Atome zu erhöhen.
Als Atomsorte kommen je nach Anwendung verschiedene Elemente infrage. Dabei sind besonders die elektronischen Übergänge der Elemente wichtig. Diese legen fest, welche Wellenlänge der Laser für das Kühlen der Atome, sowie für den Betrieb des Quantensystems benötigt wird. Zum Einsatz kommen hier Alkalimetalle wie Rubidium, Erdalkalimetalle wie Strontium oder Calcium und viele weitere Elemente. Strontium ist unter anderem besonders für hochstabile und -genaue Atomuhren geeignet. Atomuhren haben speziell in der Kommunikation und Navigation eine zentrale Bedeutung. Moderner Mobilfunk mit einer Signalfrequenz von 3,84 GHz muss über 24 Stunden stabil sein. Die relative Abweichung der Uhr muss somit besser als 3*10-12 sein. Noch höher sind die Anforderungen in der Satellitennavigation. Hier entspricht eine Zeitdifferenz von 10 ns einem Ortsfehler von etwa 3 m und es werden Abweichungen kleiner 10-14 benötigt.
Zudem liegt ein kontinuierlicher Fokus auf der Miniaturisierung der gesamten Aufbauplattform, um die Technologien für mobile Anwendungen, wie etwa an Bord von Flugzeugen oder Satelliten, bereit zu machen. Dies umfasst sowohl die physische Reduktion des Volumens der Atomquellen als auch die Integration in kompakte und tragbare Quantenanwendungen. Durch diese Entwicklungen eröffnen sich neue Anwendungen, die bisher aufgrund von technischen Limitierungen unerschlossen blieben.
Das Kernelement der Atomquelle ist ein mikrotechnologisch gefertigter Heizer aus Glas oder Silizium. Dieser ermöglicht die gezielte Erwärmung des zu verdampfenden Materials. Die Heizregion ist dabei durch dünne Brückenstrukturen thermisch vom restlichen Substrat entkoppelt, um die Effizienz des Heizprozesses zu steigern.
Die meisten relevanten Elemente wie zum Beispiel Rubidium oder Strontium oxidieren sofort bei Luftkontakt. Der gesamte Fertigungs- und Integrationsprozess muss daher in einer sauerstofffreien Atmosphäre stattfinden. Dies beginnt bei der Vorbereitung der Materialien, setzt sich bei der Befüllung des Reservoirs fort und endet bei der Integration in die Vakuumkammer der Quantensysteme. Für die einfache Integration wurde ein spezifischer Öffnungsmechanismus entwickelt, welcher das Rubidium in einer inerten Atmosphäre schützt. Erst nach dem Einbau ins Quantensystem und dem Erzeugen eines Ultrahochvakuums, wird die Quelle durch einen elektrischen Impuls geöffnet. Solche Vorkehrungen sind notwendig, um die chemische Reinheit und die Effektivität der Atomquelle sicherzustellen. Diese sind für eine konsistente und reproduzierbare Funktion in quantentechnologischen Anwendungen erforderlich.
Quantentechnologie in Niedersachsen: Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Projekt QVLS-Q1 nicht nur die technologische Entwicklung im Bereich der Quantencomputer in Niedersachsen maßgeblich vorantreibt, sondern auch ein Beispiel für erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und Politik darstellt. Die Beteiligung der Leibniz Universität Hannover und ihrer Partner an solch ambitionierten Vorhaben legt den Grundstein für innovative Anwendungen in verschiedenen Branchen und stärkt die Position Deutschlands im globalen Wettbewerb um Quantentechnologien. Insgesamt bildet das QVLS-Q1 eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und praktischer Anwendung, die langfristig zu bedeutenden Fortschritten in vielen wissenschaftlichen und industriellen Feldern führen könnte.