Softe Kontinuumsroboter bestehen aus Materialien wie Silikon und zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich kontinuierlich verformen können. Die verwendeten Materialien weisen Steifigkeiten auf, die mit menschlichem Gewebe vergleichbar sind, und ermöglichen eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Diese Eigenschaften erlauben es soften Kontinuumsroboter, durch enge Räume zu navigieren und mit Objekten und Lebewesen zu interagieren, ohne dabei sich oder ihre Umgebung zu beschädigen.
Softe Kontinuumsroboter für neue Anforderungen
Derartige Anforderungen werden beispielsweise in der Medizinrobotik und in Katastrophengebieten an Roboter gestellt, wo herkömmliche Roboter an ihre Grenzen stoßen. So werden in der Medizinrobotik fortschrittliche Technologien benötigt, die sich an die Anatomie und die Erfordernisse des menschlichen Körpers anpassen können. In Katastrophengebieten werden Systeme benötigt, die durch enge Spalten navigieren und Opfer schonend bergen können. Softe Kontinuumsroboter können hier einen Beitrag leisten.
Die kontinuierliche Verformbarkeit der soften Kontinuumsroboter geht mit neuen Herausforderungen für den Entwurf und die Anwendung dieser Systeme einher. Modellbasierte Verfahren beispielsweise zur Struktursynthese und Regelung stecken noch in den Kinderschuhen.
Das Forschungsprojekt Soft Material Robotics Toolbox (SMaRT) ist ein Verbundprojekt, das sich mit genau diesen Herausforderungen beschäftigt. Beteiligt sind das Institut für Dynamik und Schwingungen (IDS), das Institut für mechatronische Systeme (imes) und das Institut für Montagetechnik und Industrierobotik (match) der Leibniz Universität Hannover. Das Projekt ist Teil des DFG-Schwerpunktprogramms Soft Material Robotic Systems und befindet sich mittlerweile in der zweiten Förderphase.
Methodenbaukasten für den Entwurf und die Anwendung weicher Kontinuumsroboter
Die Wissenschaftler*innen schaffen mit dem Projekt SMaRT eine Basis für die Forschung an weichen Kontinuumsrobotern. Die Toolbox soll Forscher*innen weltweit ermöglichen, die entwickelten und implementierten Methoden für ihre Systeme und Anwendungen zu adaptieren und somit den Einsatz dieser Roboter in der Praxis zu fördern. Im Zentrum steht die Entwicklung von Modellen, die sowohl die statischen als auch die dynamischen Eigenschaften dieser Roboter beschreiben und Anwendung finden in modellbasierten Verfahren, wie Bahnplanung, Regelung und Designoptimierung.
Die Grundlage der im Projekt entwickelten Toolbox ist ein Cosserat-Balkenmodell. Als eindimensionales Kontinuumsmodell ermöglicht es eine detailierte Beschreibung der makroskopischen Verformungen eines soften Kontinuumsroboters. Das Modell bildet Biegung, Scherung, Längung und Torsion entlang der Stuktur ab. Es stellt einen Kompromiss zwischen der sehr genauen, aber rechenintensiven Finite-Elemente-Methode (FEM) und dem Modell der stückweisen konstanten Krümmung dar (Piecewise constant curvature). Letzteres ist rechnerisch weniger aufwendig, aber auch weniger präzise, da es auf vereinfachenden Annahmen der Kinematik beruht.
Im Rahmen des Forschungsprojekts übernimmt das match die Untersuchung und Weiterentwicklung statischer Modelle, was insbesondere auch den Kontakt mit der Umgebung beinhaltet, der ein Kernelement softer Roboter ist. Modelle können beispielsweise für die Bewegungsplanung und Designoptimierung verwendet werden. Das imes untersucht intensiv die Entwicklung und den Einsatz dynamischer Modelle, die beispielsweise in Beobachtern und Reglern zum Tragen kommen. Diese Modelle helfen, die Bewegung softer Kontinuumsroboter in Echtzeit zu steuern. Fokus des IDS ist die Kontaktmodellierung für die verwendeten Materialien wie Silikone und deren Integration in die Balkenmodelle. Dies umfasst die Analyse der Materialeigenschaften und deren Einfluss auf die Roboterdynamik.
Der Methodenbaukasten setzt sich aus mehreren Blöcken zusammen. Implementierte Methoden in Matlab – insbesondere für den automatisierten Modellaufbau und statische Simulationen des Cosserat-Modells – ermöglichen eine einfache Einarbeitung und Anpassung. Eine C++ Implementierung der Dynamik ermöglicht echtzeitfähige Simulationen. Darüber hinaus dienen detaillierte FE-Modelle in Abaqus der tiefergehenden Analyse und als Grundlage für Parameteridentifikationen der Cosserat-Modelle.
Fallbeispiel für die Validierung von Modellen und Erprobung von Algorithmen ist ein pneumatisch betriebener Silikonroboter. Weiche Aktormodule können unabhängig voneinander über jeweils drei integrierte Luftkammern angesteuert werden. Die Beaufschlagung mit Druckluft führt zu einer Längung und Krümmung eines Moduls. Seriell verkettete Module können sich rüsselartig im Raum bewegen.
SMaRT als Grundlage für tiefergehende und anwendungsspezifische Entwicklung weicher Kontinuumsroboter
Obwohl SMaRT in erster Linie auf Grundlagenforschung ausgerichtet ist, gibt es zahlreiche potenzielle Anwendungsgebiete, die von den entwickelten Methoden und Modellen profitieren können. In der Medizin könnten die entwickelten Modelle dazu beitragen, präzisere und anpassungsfähigere chirurgische Instrumente zu entwerfen, die sich an die spezifische Anatomie des Patienten anpassen. Pneumatisch betriebene weiche Roboter sind zudem MRT-kompatibel und können bei Operationen im Magnetresonanztomographen (MRT) unterstützen. In der industriellen Robotik können Modelle helfen, Roboter zu entwerfen, die empfindliche Komponenten handhaben oder in komplexen Umgebungen arbeiten können.
SMaRT leistet einen Beitrag zur Entwicklung von soften Kontinuumsrobotern. Durch die enge Zusammenarbeit der Institute IDS, imes und match werden umfassende Modelle und Methoden entwickelt, die es ermöglichen, diese Roboter effizienter zu entwerfen und zu steuern. Die Forschungsergebnisse bieten ein Sprungbrett für zukünftige Anwendungen und können die Robotik insgesamt flexibler und anpassungsfähiger gestalten.