Gebissmodelle additiv zu fertigen ist grundsätzlich kein Problem. PET-Kunststoff zu recyceln auch nicht. Recyceltes PET erneut als 3D-Druck-Material zu verwenden, ist ebenfalls möglich und wird seit einigen Jahren am IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH erforscht.
Noch nicht erforscht ist allerdings, ob die Oberflächenqualität der 3D-gedruckten Gebissmodelle auch nach etlichen Recyclingzyklen so hoch bleibt, wie es für medizinische Zwecke notwendig ist, und ob sich Schadstoffe im recycelten Material anreichern könnten. Diese beiden Fragen untersucht das IPH erstmals im Projekt „RecycAligner“ gemeinsam mit der Poliklinik für Kieferorthopädie am LMU Klinikum in München.
Gebissmodelle sind Wegwerfartikel
Gebissmodelle werden in Dental-Laboren benötigt, um sogenannte Aligner herzustellen. Das sind transparente und daher nahezu unsichtbare Zahnschienen, mit denen sich Zahnfehlstellungen behandeln lassen. Dafür wird zunächst ein individueller Gebiss-Abdruck benötigt. In einem 3D-Modell am Computer können Fachpersonen die Zähne begradigen und ein digitales Bild erstellen, wie das Gebiss nach erfolgter Behandlung aussehen soll. Zudem berechnen sie mehrere Zwischenschritte vom aktuellen Stand bis zum gewünschten Ergebnis. Der Ist-Zustand und die Zwischenschritte werden anschließend als physische Gebissmodelle hergestellt – beispielsweise mittels 3D-Druck.
Diese physischen Modelle werden benötigt, um die Zahnschienen abzuformen. Dabei wird eine Folie unter Vakuum auf das Modell gezogen. So entstehen transparente und passgenaue Zahnschienen, die die Patient*innen dann über einen längeren Zeitraum tragen müssen, um die Fehlstellung nach und nach zu behandeln. Je nach Ausprägung der Fehlstellung werden zwei, drei oder sogar zehn Zahnschienen benötigt – und dieselbe Anzahl an Gebissmodellen, um die Zahnschienen herzustellen. Die Gebissmodelle werden ausschließlich zum Abformen der Zahnschienen benötigt und danach entsorgt.
Wiederverwenden statt wegwerfen: Recycling von Gebissmodellen
Um Abfall zu vermeiden und Ressourcen zu schonen, ist es deshalb sinnvoll, die Gebissmodelle zu recyceln – also zu schreddern, das Kunststoff-Granulat einzuschmelzen und aus demselben Material neue Gebissmodelle für andere Patient*innen zu drucken. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass einerseits eine hohe Qualität und andererseits Schadstofffreiheit sichergestellt werden können.
Wird Kunststoff recycelt, verändern sich seine Eigenschaften – zunächst nur minimal, doch nach mehreren Recyclingzyklen deutlicher. Die veränderten Eigenschaften wirken sich zum einen auf die Oberflächenqualität aus, zum anderen auf die Festigkeit.
Forschung soll Qualität sicherstellen…
Gebissmodelle benötigen eine gewisse Stabilität, damit sie dem Vakuumier-Prozess bei der Herstellung der Zahnschienen standhalten und sich dabei nicht verformen. Um diese Stabilität sicherzustellen, werden im Projekt „RecycAligner“ nicht nur Gebissmodelle 3D-gedruckt, sondern auch verschiedene Proben, mit denen die Forschenden in Zugversuchen sowie Kerbschlagbiegeversuchen die Materialeigenschaften überprüfen. Damit wollen sie herausfinden, wie sich auch nach etlichen Recyclingzyklen eine ausreichende Stabilität sicherstellen lässt. Denkbar ist unter anderem, dem recycelten Material einen gewissen Anteil – beispielsweise 10 Prozent – frischen Kunststoff beizumischen, um die Materialeigenschaften zu verbessern. Dies würde im Vergleich zur konventionellen Herstellung immer noch 90 Prozent Material einsparen.
Neben Stabilität benötigen die Gebissmodelle eine ausreichend glatte Oberfläche, damit auch die Zahnschienen glatt und passgenau abgeformt werden können. Die Zahnschienen müssen maßhaltig sein und exakt passen, wenige Zehntel Millimeter Abweichung von der gewünschten Form und Größe sind bereits problematisch. Auch eine raue Oberfläche, die sich möglicherweise vom Gebissmodell auf die Zahnschiene überträgt, könnte ein Problem darstellen – weil sich dann möglicherweise Bakterien leichter zwischen Zähnen und Zahnschiene ansiedeln könnten. Eine mögliche Stellschraube für die Oberflächenqualität ist das Drucktempo: Je langsamer ein 3D-Drucker arbeitet, desto genauer das Ergebnis. Hier suchen die Forschenden einen guten Kompromiss aus Qualität und Herstellungszeit.
… und Schadstoffe im Material verhindern
Wie sich die Qualität sicherstellen lässt, ist die erste Forschungsfrage im Projekt „RecycAligner“. Die zweite Forschungsfrage lautet: Können sich Schadstoffe im recycelten Material anreichern, die dann auf die Zahnschienen übergehen?
Bei der Additiven Fertigung ist es theoretisch möglich – wenn auch sehr unwahrscheinlich –, dass winzige Mengen Schwermetalle wie etwa Blei aus den Drucker-Düsen in den geschmolzenen Kunststoff gelangen. Wird dasselbe Material wieder und wieder aufgeschmolzen, dann reichern sich diese möglicherweise zu einer bedenklichen Menge an. Im Forschungsprojekt soll dies untersucht und verhindert werden.
Nachhaltigkeit in der Zahntechnik durch regionale Kreislaufwirtschaft
Das Ziel der Forschenden ist es, Dentallaboren einen Leitfaden an die Hand zu geben, wie sie Gebissmodelle aus recyceltem Kunststoff additiv fertigen und dabei eine hohe Qualität und Schadstofffreiheit sicherstellen können.
Unter dieser Voraussetzung könnte in Zukunft eine regionale Kreislaufwirtschaft entstehen: Wenn sich mehrere Labore in einer Region zusammenschließen und gemeinsam in Kunststoff-Schredder und 3D-Drucker investieren, müssten sie deutlich weniger frisches Material einkaufen. Das würde Kosten sparen – und wäre ein großer Schritt zu mehr Nachhaltigkeit in der Zahntechnik.