Innovationen spielen eine entscheidende Rolle für Unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Innovationen zielen darauf ab, Lösungen anzubieten, die bestehenden Ansätzen überlegen sind. Doch trotz ihres Potenzials bleibt die wirtschaftliche Rentabilität solcher Innovationen oft schwer vorhersagbar, da viele Faktoren ihren Erfolg beeinflussen können.
Potenziale der sauerstofffreien Produktion
Wissenschaftler*innen am IFA der Leibniz Universität Hannover wollen das ändern. Im Fokus ihrer Forschung stehen technologische Innovationen aus dem Sonderforschungsbereich (SFB) 1368, in welchem Prozesse und Wirkzonen in sauerstofffreier Atmosphäre untersucht werden, um zukunftsfähige Produktionstechniken und Fertigungsverfahren zu entwickeln. Die sauerstofffreie Produktion bietet unter anderem das Potenzial, den Verschleiß von Werkzeugen zu reduzieren, Bauteile aus Metall mit Klebstoff haltbar zu verbinden und besonders effiziente Kühlkörper herzustellen.
Die Integration solcher Innovationen in die betriebliche Praxis in Form von Prozessinnovationen ermöglicht es Unternehmen, fortschrittlichere Technologien zu entwickeln und einzusetzen. Prozessinnovationen bieten die Möglichkeit, sich durch neuartige Kombinationen von Produktionsfaktoren von der Konkurrenz abzusetzen, was beispielsweise zu kostengünstigeren, qualitativ hochwertigeren, sichereren oder effizienteren Produktionsverfahren und Produkten führen kann. Die Implementierung solcher Innovationen resultiert in der Anpassung von Prozessketten und dem gesamten Produktionssystem, was sowohl monetäre als auch produktionslogistische Zielgrößen beeinflusst.
Herausforderungen der Innovationsbewertung
Die Innovationsbewertung verfolgt das Ziel, Methoden zu entwickeln, die es ermöglichen, den Effekt von Innovationen auf Unternehmen zu erfassen. In diesem Kontext ist eine realistische Einschätzung der künftigen Auswirkungen von Innovationen von entscheidender Bedeutung.
In der Praxis erfolgt die Entscheidung über Investitionen in der Regel auf Basis des wirtschaftlichen Nutzens. In den frühen Phasen einer Innovation stehen jedoch häufig keine hinreichenden quantitativen Daten zur Verfügung, die als Grundlage für kapitaltheoretische Bewertungsmethoden dienen können. Diese Datenlücke erschwert die Bewertung von Innovationen mit geringerem Reifegrad erheblich, da die herkömmlichen Verfahren hierfür nicht ausgelegt sind. Dennoch ist gerade in diesen Anfangsphasen die Einschätzung der wirtschaftlichen Effekte einer Innovation von großer Bedeutung.
Um eine fundierte Entscheidung über die Implementierung innovativer Produktionsverfahren und -technologien zu treffen, ist eine allgemeingültige Systematik erforderlich, mit der sich die Auswirkungen von Innovationen auf das Produktionssystem monetär und produktionslogistisch bewerten lassen. Diese Bewertung muss sowohl den Nutzen als auch die Kosten einer Innovation umfassen. Die Systematik sollte einen Ansatz beinhalten, der es ermöglicht, kapitaltheoretische Bewertungsmethoden bereits in frühen Phasen anzuwenden und die Beschreibungen, Schätzungen und anfänglichen Bewertungsdaten des Innovationsprozesses effektiv zu verarbeiten.
Entwicklung eines strategischen Bewertungsansatzes
In diesem Zusammenhang entwickelt das IFA einen Ansatz zur ökonomischen Bewertung von Innovationen. Dabei werden die wirtschaftlichen Auswirkungen technischer Innovationen unter Berücksichtigung logistischer Zielgrößen untersucht. Besonders wichtig ist dabei zu verstehen, wie spezifische Prozessinnovationen die Logistikleistung und -kosten beeinflussen und welche Bedeutung diese Effekte für die Wirtschaftlichkeit haben.
Um den erfolgreichen Transfer von Innovationen zu fördern, ist es erforderlich, die Wechselwirkungen zwischen technischen, ökonomischen und logistischen Effekten im Rahmen der Innovationsbewertung abzubilden. Im Fall der sauerstofffreien Produktion, die durch einen hohen Neuheitsgrad gekennzeichnet ist, ist eine gezielte Identifikation und Analyse der genannten Effekte sowie ihrer Interdependenzen erforderlich. Der daraus resultierende Erkenntnisgewinn umfasst sowohl die identifizierten technischen Effekte der Prozessinnovationen für die sauerstofffreie Produktion, welche ökonomische Auswirkungen haben, als auch die qualitativ beschriebenen Beziehungen zwischen technischen und ökonomischen Effekten. Dies bildet die Grundlage für die Bewertung des Gesamtnutzens dieser innovativen Prozesse.
Das Ziel: Wertmaximierung des Unternehmens
Zur Entwicklung der Bewertungsmethodik greift das IFA auf eine Vielzahl von bestehenden qualitativen, semi-quantitativen und quantitativen Ansätzen zurück, insbesondere aus dem Controlling. In diesem Kontext können Methoden und Kennzahlen aus der Finanzwirtschaft, wie sie in der Investitionsrechnung und Unternehmensbewertung zum Einsatz kommen, auf die Innovationsbewertung übertragen werden. Das IFA nutzt in diesem Kontext einen wertorientierten Ansatz, bei dem zukünftige Wertsteigerungen gemessen und Innovationen anhand ihres Beitrags zum Unternehmenswert ausgewählt werden. Die Ausrichtung sämtlicher unternehmerischer Aktivitäten erfolgt mit dem Ziel der Wertmaximierung des Unternehmens.
In Anbetracht der hohen Dynamik des Innovationsprozesses ist die Innovationsbewertung nicht als einmalige Maßnahme zu betrachten, sondern als iterativer, wiederkehrender Bewertungsprozess. In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, die identifizierten Wechselwirkungen zwischen den technischen Effekten sowie den ökonomischen und insbesondere logistischen Effekten über die Zeit durch den Einsatz von Simulationsstudien quantitativ zu erfassen. Dies ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung der verschiedenen technischen Effekte von Prozessinnovationen und deren Überlagerungen, was aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen technischen und wirtschaftlichen Effekten eine erhebliche Herausforderung darstellt.
Transfer von der Forschung in die Industrie
Die entwickelte Methodik gilt es anhand verschiedener Prozessinnovationen zu validieren, die in weiteren Teilprojekten des SFB erforscht und entwickelt werden. Auf Basis der identifizierten innovationsgetriebenen ökonomischen Vorteile sowie unter Berücksichtigung der dargestellten Wirkzusammenhänge sind Maßnahmen zur positiven Beeinflussung des ökonomischen Nutzens abzuleiten, um einen erfolgreichen Transfer der Innovationen in die Praxis zu fördern. Auf diese Weise wird den Teilprojekten des SFB die Möglichkeit eröffnet, Entwicklungspfade zu identifizieren, die ein höheres Potential für eine spätere industrielle Anwendung aufweisen.
Eine nachhaltige Implementierung von Technologien in sauerstofffreier Atmosphäre, die effizient und ökologisch verträglich sind, wird langfristig dazu beitragen, eine qualitativ hochwertige Produktion am Forschungsstandort Deutschland zu sichern.