Allein in Deutschland sind mehr als 290.000 Menschen schwerhörig. Die Ursachen und der Grad der Beeinträchtigung sind jedoch ganz unterschiedlich: Während sich bei manchen Menschen der Schall im Gehörgang nicht richtig ausbreiten kann, sind bei anderen die Hörnerven geschädigt oder die akustischen Signale werden vom Gehirn nicht richtig verarbeitet (siehe Bild 2).
Genauso vielfältig wie die Ursachen sind die medizintechnischen Lösungen, die derzeit eingesetzt werden, um das Hörvermögen der Patienten zumindest teilweise wiederherzustellen. Während einfache Hörgeräte die Luftschallleitung verstärken, setzen sogenannte Cochlea-Implantate direkt am Hörnerv an und wandeln den Schall in ein elektrisches Signal um.
Hörgerät oder Cochlea-Implantat: Nicht immer optimal
Im Falle einer Schalleitungsschwerhörigkeit, etwa wenn das Trommelfell oder die Gehörknöchelchenkette geschädigt ist, kann das Schallereignis direkt auf das Innenohr übertragen werden. Der durch einfache Hörgeräte verstärkte Luftschall reicht nicht aus, um die Membran am sogenannten Ovalen Fenster der Hörschnecke (lat. Cochlea) anzuregen, da sie kleiner und steifer ist als das Trommelfell. Im gesunden Ohr würden die Gehörknöchelchen die Signale weiterleiten. Ein Cochlea-Implantat ist für diese Patienten jedoch ebenfalls nicht die optimale Lösung – zumindest, wenn die Hörschnecke an sich noch voll funktionsfähig ist. Denn das Implantat kann das natürliche Hörempfinden eines gesunden Ohres nur verändert nachempfinden.
Für diese Patienten hat das Institut für Mikroproduktionstechnik (IMPT) ein teilimplantierbares Hörgerät entwickelt: Einen Aktor, der die Funktion der Schallübertragung im Mittelohr übernimmt und so dem natürlichen Hörempfinden sehr nahe kommt. Im Rahmen der Projekte „Innenohrmikrowandler zur Anregung der Perilymphe bei Schwerhörigkeit“ (DFG) und „Hearing4All“ (Exzellenzcluster) in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover haben die Forscher eine innovative Gehörhilfe zwischen konventionellem Hörgerät und Cochlea-Implantat entwickelt.
Klein, aber fein ─ Implantate statt Hörgeräte
Die teilimplantierbare Gehörhilfe könnte konventionelle Hörgeräte, die das Schallereignis rein akustisch verstärken, auf lange Sicht komplett ersetzen. Damit ließe sich die Verstärkungsgrenze von üblicherweise 30 Dezibel erweitern und die schlechte Klangqualität bei hohen Frequenzen verbessern.
Das Implantat setzt direkt am runden Fenster der Hörschnecke an. Hier können die Schallwellen mechanisch besser verstärkt werden, als es durch reine Luftleitung des Schalls möglich wäre. Das Implantat wäre somit nicht nur bei einer reinen Schalleitungsschwerhörigkeit einsetzbar, sondern verspricht auch Linderung bei Schallempfindungsschwerhörigkeit.
Die Rundfenstermembran wird durch ein verstärktes Schallereignis in Schwingung versetzt, und diese Schwingung überträgt sich auf die Flüssigkeit in den Gängen der Hörschnecke. Diese wandert an den Wänden entlang und versetzt die Haarzellen der Basilarmembran in Bewegung, wodurch die mechanische Schwingung in ein elektrisches Signal umgewandelt und über den Hörnerv an das Gehirn weitergeleitet wird.
Verbessertes Hörvermögen durch magnetische Wandler
Die mechanische Bewegung, welche die Rundfenstermembran zum Schwingen bringt, wird in diesem Fall durch einen elektromagnetischen Aktor erzeugt. Auf diese Weise können auf kleinem Bauraum Kräfte erzeugt werden, die groß genug sind, die Membran ausreichend auszulenken. Die hierfür nötigen Magnetfelder werden mittels Mikrospulen generiert. Zunächst haben die Wissenschaftler am IMPT diese Mikrospulen unter Verwendung fotolithografischer Prozesse auf einem Substrat schichtweise galvanisch aufgebaut. So lassen sich vor allem flächige Spulen fertigen, deren Höhe nur wenige zehn Mikrometer beträgt. Der fertigungstechnische Aufwand für diese Art Spulen ist jedoch hoch und die Nutzleistung des Aktors gering.
In der zweiten Projektphase ging das IMPT daher dazu über, einen neuartigen biomedizinischen Hybridaktor zu entwerfen und zu fertigen, der auf einer Kombination aus mikrosystem- und feinwerktechnischen Herstellungsverfahren basiert. Diese hybride Prozesstechnik erlaubt eine einfachere Fertigung, zudem können höhere Aktorkräfte erreicht werden. Die bisher verwendeten Planarspulen wurden so durch feinwerktechnisch hergestellte Wickelspulen ersetzt, welche den Erregerteil bilden (siehe Bild 4). Der mechanische Wandler wird weiterhin mit konventionellen mikrosystemtechnischen Fertigungsverfahren erzeugt.
Zu große Hitze würde Gewebe schädigen
Bei der Entwicklung der innovativen Gehörhilfe mussten die Forscher eine Vielzahl von Randbedingungen beachten. So dürfen sich die Mikrospulen nicht stärker als 3,5°C erwärmen, um das umliegende Gewebe nicht zu schädigen. Das ist ein entscheidender Faktor bei der Limitierung der Kraftentwicklung und damit der möglichen Leistungsfähigkeit bezüglich der Membranauslenkung. Ein weiterer einschränkender Faktor ist die Baugröße: Der Außendurchmesser des Implantats darf maximal 1,5 Millimeter betragen. Trotz dieser scharfen Restriktionen konnten die Wissenschaftler am IMPT einen leistungsfähigen Aktor auf Basis einer elektromagnetisch-mechanischen Wandlung entwickeln (siehe Bild 5).