Ein Institut neu aufzubauen – das ist eine Herausforderung, die der 42-Jährigen bisher noch nicht begegnet ist. Ansonsten, vermutet sie, werde sich ihre Arbeit durch den Professorentitel nicht sehr ändern. Tatsächlich hat sie an der TU Braunschweig, am Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik, in den vergangenen Jahren bereits eine gewissermaßen „professorale“ Tätigkeit ausgeübt: Sie hat das Team „Montage und Fertigungsautomatisierung“ mit einem guten Dutzend wissenschaftlicher Mitarbeiter selbstständig und sehr erfolgreich geleitet, Vorlesungen gehalten, Forschungsprojekte angeschoben, mit Industriepartnern kooperiert.
Am Produktionstechnischen Zentrum schließt sie zur großen Freude der anderen sechs Institutsleiter nun endlich die Lücke: Es fehlte, um die Produktionstechnik komplett abdecken zu können, bislang das Expertenwissen zur Montagetechnik.
Handhaben, Fügen, Messen
„Man nimmt ein Teil und setzt es an ein anderes“ – das ist die Kernaufgabe der Montagetechnik laut Raatz. Ihr eigener Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung von Gerätetechnik, die für die Handhabung gebraucht wird, und auf der Systemintegration: Wie setzt man beispielsweise Roboter, Greifer, Steuerungstechnik so ein, dass ein Montageprozess optimal läuft, dass also die Positionierung ausreichend genau ist, dass die Geräte nicht störanfällig sind, dass Produktwechsel mit wenig Aufwand realisierbar sind, dass Menschen bei ermüdenden Arbeitsschritten entlastet werden.
Das Fügen und das Messen, zwei weitere Aspekte der Montagetechnik, werden teilweise von anderen Instituten am PZH mit bearbeitet: Schweißverfahren etwa werden am Institut für Werkstoffkunde erforscht.
Eine interdiszipinäre Kernaufgabe
Raatz sieht ihr Feld als eine interdisziplinäre Kernaufgabe: „Handhabungstechnik brauchen alle Disziplinen in der Produktionstechnik, und es ist für mich sehr spannend, mit den Instituten am PZH die jeweiligen Herausforderungen in Angriff zu nehmen und gemeinsam weiterzukommen. Zwei Beispiele sind die Mikroproduktionstechnik oder die Integration von „Intelligenz“, beispielsweise über Sensorik oder auch RFID-Komponenten, in die Anlagentechnik. Mit entsprechender Planung wird damit eine flexible und hybride Montagetechnik, die Mensch und Maschine einbindet, realisierbar.“
Ihre Anknüpfungspunkte in die Industrie sind weit gefächert: Vom klassischen Einsatzgebiet „Endmontage in der Automobilindustrie“ bis zu den speziellen Anforderungen in der Medizintechnik.
Neustart am PZH
Professor Raatz, die zurzeit noch aus Braunschweig pendelt, baut am PZH alles neu auf: Mit zunächst vier Mitarbeitern wird sie ihre Ausstattung organisieren, Forschungsprojekte und -kooperationen starten, Vorlesungen ausarbeiten und nicht zuletzt ein größeres Team aufbauen.
Dass sie die nötige Kondition, die Begeisterungsfähigkeit und den richtigen Teamgeist für diese Aufgabe mitbringt, hat sie auch auf einem anderen Spielfeld schon unter Beweis gestellt: auf dem Handballfeld. 30 Jahre lang ist sie dort im Einsatz gewesen, darunter fünf Jahre in der zweiten Bundesliga. Mittlerweile trifft man sie häufiger an der frischen Luft. Allerdings nicht beim Spazierengehen; eher beim Montainbiken. Oder beim Triathlon.