Kühlsysteme sorgen dafür, dass unsere Lebensmittel frisch bleiben, Medikamente sich über weite Strecken transportieren lassen und Wohnräume und Fahrzeuge angenehm temperiert werden. Gekühlte Prozessoren ermöglichen immer höhere Taktraten und somit eine höhere Rechenleistung und Batterien in Elektrofahrzeugen halten am längsten, wenn die Temperatur konstant bleibt.
Kühlung ist also eine entscheidende Voraussetzung für Lebensqualität, Wohlstand und technischen Fortschritt. Doch sie kostet Energie. Nur in der Theorie ist eine verlustfreie Kühlung möglich – mit dem sogenannten Carnot-Prozess. In der Praxis machen Kompressionskühlungen den Großteil der Kühlsysteme aus: Sie werden in Kühlschränken, Klimaanlagen und Fahrzeugen eingesetzt und erreichen praktisch einen Carnot-Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent.
Elektrokalorischer Effekt ermöglicht effizientere Kühlung
Deutlich effizienter wäre die sogenannte elektrokalorische Kühlung, die theoretisch etwa 85 Prozent des Carnot-Wirkungsgrades erreichen kann – und dabei ohne umweltbelastende Kühlflüssigkeiten auskommt. Wie solche elektrokalorischen Kühlsysteme aussehen können, untersucht das Institut für Montagetechnik (match) im Rahmen des Schwerpunktprogramms (SPP) 1599 „Caloric Effects in Ferroic Materials: New Concepts for Cooling“ (Neue Kühlkonzepte auf Basis kalorischer Effekte) im Teilprojekt B7: „Methodological Development and Design of Electrocaloric Cooling Systems for Electric Vehicle Applications“ (Methodische Entwicklung und Konstruktion elektrokalorischer Kühlsysteme für die Anwendung in Elektrofahrzeugen).
Die innovative Kühltechnologie basiert auf dem sogenannten elektrokalorischen Effekt: Bestimmte Materialien ändern ihre Temperatur, wenn ein elektrisches Feld angelegt beziehungsweise entfernt wird. Allerdings ist der Effekt in den derzeit bekannten Materialsystemen relativ klein: er hängt vom Material, der elektrischen Feldstärke und der Umgebungstemperatur ab und beträgt im besten Fall nur wenige Kelvin. Für eine praktische Nutzung ist dies zu wenig.
Gemeinsam mit deutschlandweit sechs weiteren Instituten wird daher in der Gruppe B des SPP 1599 an der Nutzbarmachung des elektrokalorischen Effekts geforscht. Während sich die materialwissenschaftlichen Institute in dem Projekt mit der Optimierung der Materialsysteme beschäftigen, befasst sich das match mit der Konzeption und Entwicklung von Kühlsystemen, die einen höheren Temperaturgradienten ermöglichen.
Forscher verbessern die Kühlleistung mit Simulationen…
Wie können elektrokalorische Kühlsysteme überhaupt funktionieren? Welche Designs sind vielversprechend? Welche Effizienz lässt sich theoretisch und praktisch mit ihnen erreichen und wodurch wird sie beeinflusst? Was ist erforderlich, um elektrokalorische Kühlsysteme in reale Anwendungen integrieren zu können? Diese Fragestellungen werden derzeit am match beantwortet.
Dazu analysiert das Institut verschiedene Funktionsprinzipien, identifiziert Einflussgrößen und entwickelt daraus ein methodisches Vorgehen zur Entwicklung neuer Kühlsysteme. Numerische Simulationen helfen den Wissenschaftlern dabei, die Temperaturverteilung in den entwickelten Systemen zu evaluieren und so deren Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Vielversprechende Designs werden mit Hilfe der Simulation dahingehend optimiert, dass eine geforderte Kühlleistung und Temperaturdifferenz möglichst effizient erzielt werden kann. Auch kann mit der Simulation abgeschätzt werden, welche Verbesserung neue elektrokalorische Materialien bringen könnten.
… und testen ein vielversprechendes Kühlsystem im Labor
Es gibt jedoch viele Einflüsse, die in einer Simulation nicht oder nur sehr vereinfacht abgebildet werden können. Ein vielversprechendes Konzept haben die Forscher daher in Form eines Demonstrators im Labormaßstab umgesetzt: Darin wird ein Regenerator zur Zwischenspeicherung der Wärme genutzt. Die elektrokalorischen Materialien für den Demonstrator hat das Fraunhofer IKTS, einer der Partner im SPP1599, entwickelt und bereitgestellt. Mitarbeiter am match nutzen den Demonstrator nun, um Einflussgrößen zu identifizieren, die sich auf die Leistungsfähigkeit des Systems auswirken.
Darüber hinaus wollen sie herausfinden, wie solche Systeme aufgebaut werden müssen – denn die praktische Ausführung der elektrischen, thermischen und mechanischen Verbindung von zu kühlenden Objekten, elektrokalorischen Elementen und Gehäuse hat einen extremen Einfluss auf den Wirkungsgrad. Die Herausforderungen liegen, wie so oft, auch hier im Detail.
Praktischer Einsatz in zehn bis fünfzehn Jahren?
Am Ende des Projekts wollen die Wissenschaftler aus ihren Erkenntnissen eine allgemeingültige Entwicklungsmethodik ableiten, die es ermöglicht, elektrokalorische Kühlsysteme anwendungsorientiert auszulegen. Dazu wollen sie geeignete Werkzeuge wie Konstruktionsrichtlinien oder die Simulationsumgebung bereitstellen. Möglicherweise kann auch der Labordemonstrator zu einem anwendungstauglichen Gerät weiterentwickelt werden.
Ob eine Integration in praktische Anwendungen erfolgen kann – etwa in die als vielversprechend identifizierte Batteriekühlung in Elektrofahrzeugen – wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Denn neben der Funktionsfähigkeit und Effizienz spielt auch die Wirtschaftlichkeit eine entscheidende Rolle. Und die hängt von der Lebensdauer und der Effizienz der Systeme genauso ab wie von den Kosten und der Güte der elektrokalorischen Materialien.
In zehn bis fünfzehn Jahren könnten jedoch elektrokalorische Kühlsysteme in Elektro-Fahrzeugen, Kühlschränken oder Klimaanlagen eingesetzt werden und so einen Beitrag zur Energieeffizienz leisten.