Im Zeichen von Industrie 4.0 durchlebt die Kunststoff- und Kautschukindustrie einen Wandel, in dem eine Anwendung und Nutzung von Automatisierungstechnologien sowie die Digitalisierung von Prozessabläufen unter wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten unumgänglich sind. Die Implementierung der erforderlichen Technologien in die kautschukverarbeitende Praxis stößt jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten aufgrund der Komplexität des Materials, der Vielzahl an aufwändigen Prozessschritten, dem Mangel an geeigneten Schnittstellen, Kenndaten und Bewertungskriterien für die Regelung sowie der Vorhersage der Effizienz von Verarbeitungsprozessen.
Digitalisierung des Extrusionsprozesses
Im Verbundprojekt „DIGIT RUBBER“ wird die Kombination von maschinellem Lernen, klassischer Modellbildung und neuen Messtechnikansätzen zur Online-Charakterisierung von Kautschukmischungen am Beispiel der Extrusion erarbeitet und eingesetzt. Das Projekt ist Anfang April 2021 gestartet und läuft drei Jahre. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit einer Gesamtfördersumme von circa 2,5 Millionen Euro (Förderkennzeichen 13XP5126).
Ziel des Vorhabens ist es, eine computergestützte Verknüpfung der Produktionskette „Mischen-Walzen-Extrudieren“ zu entwickeln, die es automatisiert ermöglicht, chargenbedingte Schwankungen am Material zu erkennen und auf Basis einer künstlichen Intelligenz (KI) den Verarbeitungsprozess entsprechend zu regeln. Dies geschieht mittels Materialdatenbanken und einem digitalen Abbild des Prozesses (Digitaler Zwilling) unter besonderer Berücksichtigung der Extrusion sowie durch den Einsatz von Online-Messmethoden. Auf diese Weise kann konstanter am Effizienz- und Qualitätsoptimum produziert werden. Hierzu werden verfügbare sowie zu entwickelnde Messmethoden in der Online-Erfassung von Qualitätsmerkmalen kombiniert, um so eine automatische Qualitätsbewertung von Ausgangsmaterialien und ihrer Produkte zu ermöglichen.
Datenauswertung durch Data-Mining und KI
Im Rahmen der Prozessmodellierung und -optimierung werden die Messdaten auf Grundlage der geschaffenen Ontologie für die Kautschukverarbeitung gesammelt, verwaltet und ausgewertet. In diesem Zusammenhang können Daten aus den unterschiedlichsten Disziplinen wie Chemie, Simulation, Prozesstechnik und Logistik vereint und die bestehenden Sprachgebräuche jeder einzelnen Disziplin in eine gemeinsame einheitliche Sprache überführt werden.
Die Umsetzung der Digitalisierung in diesem Projekt, insbesondere die Entwicklung einer integrierbaren Ontologie in den Gesamtkontext der Materialwissenschaften, wird zusätzlich durch die Innovations-Plattform MaterialDigital unterstützt. Gleichwohl werden durch die Implementierung von Machine-Learning-Algorithmen (Data Mining) werkstoffimmanente Wirkzusammenhänge vorhersagbar gemacht, die einen Einfluss auf die Qualität des Extrusionsproduktes aufweisen. Durch die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz, welche die gesamte Prozesskette steuert und eigenständig Prozess- und Werkstoffparameterabweichungen identifiziert und gegenreguliert, wird so eine konstante Qualität des Endproduktes realisiert.
Interdisziplinarität notwendig
Das Erreichen des Projektzieles ist nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher und technischer Disziplinen möglich. Insgesamt sieben Institute, jedes einzelne ein Experte auf seinem Fachgebiet, arbeiten als Konsortialverband eng verknüpft zusammen (siehe Bild 3).
Das Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) ist dabei schwerpunktmäßig für das Data-Mining, also das automatische Erkennen von Abhängigkeiten in einer großen Datenmenge und für die KI zur Regelung des Prozesses verantwortlich.
Beteiligte Institute
- Deutsches Institut für Kautschuktechnologie e.V., Hannover (DIK)
- Hochschule Hannover Fakultät IV – Wirtschaft und Informatik (HsH)
- Jade Hochschule Wilhelmshaven Oldenburg Elsfleth,
Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG) - Institut für Nanophotonik Göttingen e.V. (IFNANO)
- Leibniz Universität Hannover,
Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) - Leibniz Universität Hannover,
Institut für Mess- und Regelungstechnik (IMR) - Technische Informationsbibliothek, Hannover (TIB)