Seit September 2022 absolvieren Julia Eisfelder (20) und Emma Tubbe (19) ein Freiwilliges Wissenschaftliche Jahr (FWJ) am Institut für Mikropduktionstechnik (IMPT) der Leibniz Universität Hannover. Till Stutzenstein (19) absolviert sein FWJ am Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM). Jetzt, nach neun Monaten, erzählen sie von ihren Erfahrungen.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein FWJ zu absolvieren?
Julia: Ich wusste noch nicht genau, was ich studieren wollte – außer, dass ich gern etwas naturwissenschaftliches machen würde. Da es durch Corona keine Praktika an unserer Schule gab, schien mir ein FWJ eine gute Idee zu sein.
Emma: Durch andere Personen, die ein FWJ gemacht haben, habe ich mitgekriegt, dass das in Hannover möglich ist. Da ich schon immer naturwissenschaftlich und technisch interessiert war, klang das für mich nach einer guten Idee nach dem Abitur.
Till: Mir hat ein Freund vom FWJ erzählt, ich habe mich darüber informiert und mich beworben. Viele FWJ-Projekte haben mit Medizin zu tun, dafür interessiere ich mich allerdings weniger. Deshalb habe ich nach anderen Themenfeldern gesucht und bin schlussendlich am IFUM gelandet, um Erfahrungen im Maschinenbau zu sammeln und zu schauen, ob es für mich das richtige Studienfach ist.
Wie läuft ein normaler Arbeitstag für euch ab? Welche Aufgaben übernehmt ihr?
Julia: Ich bin für ein Projekt zuständig und arbeite darin eigenständig. Ich beschäftige mich mit biphasischen Dehnungsmesssensoren auf einem PDMS-Substrat und bin dafür zuständig, einen Prozess für die Herstellung zu entwickeln sowie diese später elektrisch zu charakterisieren.
Emma: Ich arbeite mit Unterstützung meines Betreuers an einem wissenschaftlichen Projekt, bei dem es darum geht, Schleifscheiben mit fotolithographisch eingebrachten Kühlkanälen herzustellen. Dazu habe ich im Reinraum gearbeitet. Außerdem habe ich einen Versuchsaufbau zum Testen entwickelt und dafür viel mit SolidWorks konstruiert.
Till: Momentan habe ich ein eigenes Konstruktionsprojekt, in das ein großer Teil meiner Arbeitszeit fließt. Sonst assistiere ich bei Experimenten oder erledige kleinere Aufgaben für die wissenschaftlichen Mitarbeitenden am IFUM.
Ist die Arbeit in der Wissenschaft so, wie ihr sie euch vorgestellt habt – oder ganz anders?
Till: Eigentlich habe ich mir die wissenschaftliche Arbeit immer so vorgestellt, dass alle in einem weißen Laborkittel in einem Bilderbuchlabor herumlaufen. Am IFUM ist es anders, aber auch in einer Art gleich. Beim Bedienen der großen Pressen in der Werkshalle wird meist funkenfeste Schutzkleidung und Sicherheitsschuhe getragen. Es gibt hier zwar auch Labore, aber da stehen keine Reagenzgläser, sondern Messtechnik. Insofern war es anfangs anders, als ich mir es vorgestellt habe – aber mit der Zeit kam die Erkenntnis, dass die Schutzkleidung die Laborkittel, und die Pressen das Bilderbuchlabor der Umformtechnik sind. Es sieht anders aus, aber erfüllt den gleichen Zweck. Was ich nicht gedacht hätte: Dass zusätzlich zu den Experimenten so viel Arbeit im Büro stattfindet.
Emma: Ich hatte am Anfang meines FWJ sehr wenig konkrete Vorstellungen. Man lernt den Unialltag und den Arbeitsalltag kennen und versteht, wie die Universität aufgebaut ist. Man lernt, dass es okay ist, wenn Dinge nicht auf Anhieb funktionieren oder Anlagen nicht einsetzbar sind. Das gehört dazu. Gleichzeitig ist interessant zu sehen, was neben dem Forschungsalltag noch für Aufgaben in einem Institut anfallen.
Was hat euch am meisten überrascht?
Emma: In wie viele Themen man sich einarbeiten kann. Zu Beginn des FWJ weiß man einfach sehr wenig über den Fachbereich. Gegen Ende sieht das deutlich anders aus.
Till: Mich hat die Vielzahl an Maschinen und deren Produktionsmöglichkeiten überrascht.
Welche Aufgaben machen euch am meisten Spaß?
Julia: Praktische Aufgaben, da kann ich mich aktiv einbringen. Es ist toll, wenn man Lösungen für Probleme findet.
Till: Ich unterstütze gern die wissenschaftlichen Mitarbeitenden bei Experimenten, dann gibt es immer etwas zu sehen.
Emma: Ich mag auch die praktische Arbeit, wenn ich selbst aktiv werden und meine Versuche optimieren kann. Ich freue mich dann nach längerer Zeit die Veränderungen zu sehen und zu sehen, was ich in meinem FWJ schon erreicht habe.
Was mögt ihr am FWJ am wenigsten?
Julia: Ich glaube, am schwierigsten war die Einarbeitung, weil die Lücke zwischen dem, was man in der Schule lernt, und dem, was man hier an Wissen braucht, sehr groß ist. Gleichzeitig ist es cool zu sehen, in wie viele Themen man sich einarbeiten kann und dass man am Ende das meiste versteht, obwohl man kein Studium hat.
Till: Ich würde einfach mal die Entlohnung nennen. Man bekommt lediglich ein Taschengeld, das bisher auch nicht an die Inflation angepasst wurde und noch dazu hat man keinen Anspruch auf Studentische Hilfsmaßnahmen, wie zum Beispiel die 200 Euro Einmalzahlung.
Wem würdet ihr ein FWJ empfehlen – und für wen ist das eher nichts?
Till: Ich kann es Leuten empfehlen, die sich noch nicht sicher sind, was genau sie studieren wollen – und die es sich finanziell leisten können.
Julia: Ich denke, wenn man noch nicht genau weiß, was man studieren möchte, ist es eine gute Alternative, um mal etwas anderes zu sehen und Neues zu lernen. Gerade in Verbindung mit dem Juniorstudium, wo man sich schon mal Vorlesungen anschauen kann, ist es eine gute Gelegenheit, um schon mal ein Gefühl fürs Studieren zu bekommen. Wenn man nicht bereit dazu ist, sich eigenständig in Themen einzuarbeiten, oder wenn man Geld verdienen möchte oder muss, dann ist ein FWJ eher nichts, gerade weil es sehr zeitaufwendig ist.
Emma: Ein FWJ ist gut, um in die Uni reinzuschnuppern und in das Leben an einem wissenschaftlichen Institut. Wenn man sich für viele Themen begeistern kann und nicht direkt ins Studium einsteigen will. Besonders empfehlen würde ich es, wenn man eine Stelle und einen Platz für sich findet, der sehr gut zu den eigenen Berufs- und Studienvorstellungen passt. Nicht empfehlen würde ich es Menschen, die schnell nach der Schule Geld verdienen möchten oder müssen – oder die nur eine kleine Beschäftigung nach der Schulzeit suchen.
Wie geht es nach dem FWJ für euch weiter?
Julia: Ich möchte Nachhaltige Ingenieurswissenschaften studieren und gleichzeitig als Hiwi an meinem Projekt weiterarbeiten.
Till: Ich werde nach Münster ziehen und dort ein Studium in Chemie anfangen.
Emma: Ich werde ebenfalls ein Studium beginnen.
Hat euch das FWJ bei der Studien- und Berufsorientierung geholfen?
Till: Auf jeden Fall. Es hat mir zwar nicht direkt bei der Wahl des Studienfaches geholfen, da ich auch ohne FWJ ein Chemiestudium begonnen hätte. Aber es hat mir gezeigt, wie ernstzunehmend ein Studium ist, und mich bei meiner Wahl bestärkt. Außerdem war es gut, erste Erfahrungen zu sammeln, zum Beispiel durch den Auszug aus dem Elternhaus – jetzt weiß ich, was mich bei meinem nächsten Umzug erwartet und worauf ich achten muss.
Julia: Ich habe im FWJ viel gelernt. Darüber, wie es ist, zu arbeiten – und darüber, was mir wichtig ist. Es hat mich auf jeden Fall in der Wahl eines naturwissenschaftlichen Studiengangs bestätigt.
Emma: Das FWJ und die Erfahrungen im Arbeitsumfeld bringen einen deutlich weiter. Man lernt in der Zeit viel über sich selbst. Durch Austausch mit wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden kann man einen sehr guten Einblick in viele verschiedene Studiengänge gewinnen. So kann man einschätzen, was einem gefällt und was nicht. Man hat auch einen anderen Blickwinkel auf ein Studium als Personen, die direkt nach der Schule anfangen zu studieren.
Vielen Dank für das Gespräch!