Technologische Innovationen wirken sich immer stärker auf die Interaktion im Unternehmen aus. Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet inzwischen so schnell voran, dass einzelne Mitarbeiter kaum mithalten können. Führungskräfte sind daher in der Verantwortung, als gutes Beispiel voran zu gehen, Akzeptanz für die Neuerungen zu schaffen und ihre Mitarbeiter*innen durch die Veränderungen zu führen. Hierfür bedarf es eines hohen Maßes an Führungskompetenz und vor allem Zeit für Führungsarbeit.
An einem Leitbild für die Führung und soziale Interaktion im digitalen Zeitalter arbeiten Wissenschaftler des Instituts für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Leibniz Universität Hannover gemeinsam mit Kollegen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und sechs Unternehmen im Forschungsverbundprojekt „Digitale Führung und Technologien für die Teaminteraktion von morgen (teamIn)“.
Entwicklung und Pilotierung
Die Grundlage des Leitbildes bildet die bedarfsorientierte Entwicklung neuer Führungs- und Kommunikationsinstrumente sowie deren Erprobung bei zwei Anwenderunternehmen. Hierbei handelt es sich um ein produzierendes Unternehmen und einen Ingenieurdienstleister. Auf Basis der Anforderungen der beiden Unternehmen werden sowohl bestehende Werkzeuge um neue Ideen und Ansätze ergänzt als auch gänzlich neue Methoden entwickelt.
Die entwickelten Methoden werden in den Anwenderunternehmen pilotiert, das heißt unter wissenschaftlicher Begleitung in klar definierten Bereichen erprobt. Erfasst werden hierbei unter anderem die Akzeptanz der Maßnahmen sowie die Einflüsse der Maßnahmen auf die Leistung des Bereichs und auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen und Führungskräfte. Die Ergebnisse der Pilotierung dienen der Weiterentwicklung der Methoden innerhalb des Projekts und fließen zudem in eine strukturierte Online-Methodensammlung ein, die einen Teil der Roadmap zur Umsetzung des Leitbildes darstellt.
Unterstützung der Führungskräfte
Ziel ist es, Führungskräfte auf den unteren Hierarchieebenen bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben zu unterstützen. Nach Ansicht der Forscher kann dies auf zwei Arten geschehen.
Zum einen kann beispielsweise durch Unterstützung der individuellen (Weiter-)Entwicklung die Führungsqualität verbessert werden. Hierfür arbeiten die Projektpartner unter anderem an einem digitalen Feedbacksystem zwischen Mitarbeiter*innen und Führungskräften. Dieses ermöglicht ein anonymes Echtzeitfeedback zu ausgewählten Fragestellungen und zur allgemeinen Stimmung im Team.
Zum anderen besteht eine wesentliche Herausforderung darin, den Führungskräften mehr Zeit für tatsächliche Führungsaufgaben einzuräumen. In vielen Fällen verbringen sie wesentlich mehr Zeit mit technischen oder organisatorischen Fragestellungen als zum Beispiel mit der Förderung, Motivation oder Beratung ihrer Mitarbeiter*innen. Im Projekt beschäftigt sich daher eine Arbeitsgruppe mit den Möglichkeiten, Führungskräfte bei der Personaleinsatzplanung durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zu entlasten und so mehr Zeit für Führungstätigkeiten zu schaffen.
Neue Rollenbilder und Kompetenzen
Durch den Einzug der Digitalisierung in den Unternehmen ändern sich viele Vorgehensweisen, Abläufe und Hierarchien. Es entstehen neue Organisationsstrukturen. Ein zentrales Anliegen des Projektes ist es, zu erfassen, wie sich diese Veränderungen auf zukünftige Rollen im Unternehmen und die entsprechenden Kompetenzbedarfe auswirken.
So gibt es zum Beispiel Szenarien, in denen zukünftig mehr Entscheidungen dezentral durch die Mitarbeiter*innen auf dem Shopfloor selbst getroffen werden. Ein digitales Shopfloor-Management mit echtzeitnaher Informationsbereitstellung kann dazu beitragen, dies zu ermöglichen. Mehr Autonomie bedeutet aber auch mehr Verantwortung und höhere Anforderungen. Welche Voraussetzungen hierfür zu schaffen sind und ob diese Verantwortung durch die Mitarbeiter*innen überhaupt erwünscht ist, damit beschäftigt sich eine weitere Arbeitsgruppe im Projekt.
Auch die Rolle von KI-Agenten als Unterstützer oder auch teilweiser Ersatz der Führungskraft gilt es zu definieren. Hierbei stehen neben technischen und organisatorischen Fragestellungen vor allem Fragen nach der Akzeptanz sowie ethischen und legalen Gesichtspunkten im Mittelpunkt.
Veränderungen mitgestalten
Damit die Veränderungen, die im Rahmen des Projektes in den Unternehmen angestoßen werden, auch nachhaltig eine positive Wirkung entfalten, steht von Beginn an die partizipative Gestaltung des Veränderungsprozesses im Mittelpunkt des Projektes. Das bedeutet, dass die Führungskräfte und Mitarbeiter*innen kontinuierlich in die Entwicklung des Leitbildes einbezogen werden, angefangen bei der Zustands- und Bedarfserhebung bis hin zur Entwicklung und Umsetzung der Methoden. Dabei kommen verschiedene Methoden aus den Bereichen User Centered Design (UCD) und User Centered Change (UCC) zum Einsatz. Derweil arbeitet das IFA an der Entwicklung eines integrierten Zielsystems, um den Erfolg von Veränderungsprozessen in Unternehmen bewertbar zu machen.
Damit Unternehmen die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und die damit verbundenen Veränderungen erfolgreich bewältigen können, bedarf es vor allem guter Führung und die Partizipation aller Beteiligten.
Förderhinweis
Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ (Förderkennzeichen: 02L18A140) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.