Wohl nahezu jedes Unternehmen würde sich selbst als innovativ beschreiben. Denn die Innovationsfähigkeit ist ein – wenn nicht der bedeutendste – Faktor, um im hart umkämpften Wettbewerb zu bestehen. Doch wann ist ein Produkt ein innovatives Produkt, das sich am Markt behaupten kann? Neue Produkte entstehen oft durch die Kombination existierender technischer Lösungen. Um Innovationen entwickeln zu können, müssen Unternehmen daher zunächst wissen, was an den existierenden Produkten gut ist – und was nicht.
Ein (Produkt-)Leben lang lernen
Von der Idee über die Herstellung bis zur Entsorgung: In sämtlichen Phasen des Produktlebenszyklus entsteht Wissen. So lassen sich beispielsweise aus den Anforderungen und dem Feedback der Kunden während der Produktnutzung wichtige Informationen ableiten.
Sowohl global agierende Großkonzerne als auch kleine und mittlere Unternehmen sammeln im Laufe des Produktlebens eine Vielzahl an Daten an. Diese Daten werden jedoch nicht systematisch analysiert – denn bislang fehlen geeignete Methoden, um die Informationen und das Wissen zu verdichten und in geeigneter Form in die Produktentwicklung zu übertragen.
Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt
Das Problem ist in der Industrie durchaus bekannt. Um das Manko des ungenutzten Wissens zu beheben, unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Kompetenzaufbau im Förderprogramm „KMU-innovativ: Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)“ das Forschungsprojekt „Akquisition und Nutzung von Lebenszyklus-Wissen für Produktinnovation (LeWiPro)“. Das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH), hat das Projekt Anfang 2013 gemeinsam mit der Pumacy Technologies AG, der Gesellschaft für Technologie Transfer mbH (GTT) sowie der Paradigma Software GmbH gestartet (Bild 2).
Die beteiligten Unternehmen – allesamt KMU – planen, die Projektergebnisse in die eigenen Softwarelösungen zu integrieren, um dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Bis Mitte 2015 sollen erstmals Methoden entwickelt werden, die Unternehmen eine strukturierte Wissensgenerierung und eine einfache Wissensbereitstellung ermöglichen. Der Fokus des Projekts liegt auf den Bereichen Logistik und Service. Das erklärte Ziel klingt so einfach wie einleuchtend: Vorhandene Daten, die in Unternehmen durch Systeme zur Betriebsdatenerfassung, zur Zustandsüberwachung oder zum Servicemanagement erfasst werden, sollen endlich umfassend genutzt werden (Bild 3).
Wissensmanagement mit Methode
Heutige Wissensmanagementsysteme beschränken sich oftmals nur auf Teilbereiche eines Unternehmens. Die Informationen werden kaum nachverfolgt oder vernetzt. Und auch der Wissensaustausch zwischen unterschiedlichen Bereichen findet nur eingeschränkt statt. Potenziale und Zusammenhänge bleiben dadurch oft unentdeckt.
Bis Juni 2015 möchten die Ingenieure des IPH und ihre Projektpartner auf Basis von Wissen aus dem Produktlebenszyklus Methoden und Werkzeuge zur effektiven Entwicklung innovativer Produkte entwickeln. Schwerpunkte sollen dabei der Erwerb und die Bereitstellung von implizitem, bislang nicht genutztem Wissen sein.
Im Projekt sollen zunächst ein Modell zur Wissensrepräsentation erarbeitet und Methoden generiert werden, mit denen sich das benötigte Wissen aus dem Produktlebenszyklus automatisiert akquirieren lässt. Eine anschließende Umsetzung in ein Softwarewerkzeug soll eine anwendergerechte Wissensbereitstellung für gezielte Produktinnovation ermöglichen. Damit diese Software später tatsächlich in der Praxis genutzt werden kann, muss sie besonders anwenderfreundlich sein und mit möglichst geringem Aufwand zur Wissensakquisition und Systemintegration beitragen.
Welche Informationen sind vorhanden? Und welche werden benötigt?
Die Projektpartner stehen dabei vor großen Herausforderungen: Welche Daten sind überhaupt relevant? Wie können sie aufbereitet werden? Und wie kann eine strukturierte Bewertung erfolgen?
Die Basis des Projekts bildet der Abgleich von verfügbarem Wissen und dem Wissensbedarf der Entwicklungsabteilung durch eine strukturierte Analyse bei Kunden der Projektpartner. In Interviews werden deren Wissensbedarf in der Entwicklung sowie das vorhandene Wissen erfasst und ausgewertet. Ein Beispiel: Ein Service-Mitarbeiter identifiziert lange Demontagezeiten für ein Schutzgitter.
Mit Hilfe dieses Wissens kann der Konstrukteur überprüfen, ob das Schutzgitter mit 16 oder nur acht Schrauben befestigt werden kann. Ist eine ausreichende Sicherheit mit weniger Schrauben gewährleistet, so kann für eine Neuentwicklung zusätzlich die Demontagezeit reduziert werden. Die Ergebnisse werden dann in ein Lastenheft für die zu entwickelnden Methoden übernommen. Im zweiten Arbeitsschritt wird ein Wissensmodell erstellt, das mögliche Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Konzepten aus den vorhandenen Daten aufzeigt (Bild 4).
Mit Data Mining Herr der (Daten-)Lage werden
Anhand dieser Konzepte erstellen die Projektpartner ein Softwaretool zur automatisierten Wissensakquisition und Wissenbereitstellung, bei dem Verfahren des Data Minings zum Einsatz kommen. Die Data Mining-Algorithmen wenden statistische Methoden systematisch an und erkennen so Muster innerhalb der Daten. Das Verfahren eignet sich vor allem zur Verarbeitung sehr großer Datenbestände, bei denen eine manuelle Verarbeitung aufgrund des hohen Zeitaufwandes nicht wirtschaftlich wäre. Um die Praxistauglichkeit sicherzustellen, soll die entwickelte Software gegen Ende des Projekts in den beteiligten Unternehmen zum Einsatz kommen.
Dass Unternehmen Potenziale vor (und trotz) lauter Daten nicht sehen, soll zukünftig Geschichte sein. Die Projektergebnisse sollen schon bald dazu beitragen, dass vorhandenes Wissen aus dem Produktlebenszyklus gezielt genutzt wird, um Produktinnovationen zu generieren. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollen davon profitieren und künftig besser wissen, was gefragt ist…
Förderhinweis
Das beschriebene Forschungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programmes „KMU-Innovativ“ gefördert und durch den Projektträger DLR betreut. Die Projektleitung erfolgt durch die Pumacy Technologies AG.
http://lewipro.de