Die Materialplanung ist in der Instandsetzung von Flugzeugtriebwerken mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählt insbesondere die Unsicherheit über die Art und den Umfang der Aufwände (siehe Bild 2), die notwendig sind, um ein Flugzeugtriebwerk instand zu setzen. Das vorliegende Schadensbild eines Flugzeugtriebwerks hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu gehören beispielsweise die Dauer der Nutzungsphase im Rahmen des Flugbetriebs, die mechanischen Beanspruchungen innerhalb des Flugbetriebs und die Einsatzregion des Flugzeugs.
Aktuelle Materialplanung und deren Herausforderungen
Die Materialplanung bei der MTU Maintenance Hannover GmbH (MTU) ist verantwortlich für die qualitative und wertoptimierte Bestandsführung. Hierzu zählen die Prognose von Bedarfsmengen, die Identifikation von durchlaufzeitkritischen Bauteilen, die Definition von Sicherheits- und Meldebeständen und die Optimierung des Gesamtbestandes.
Die Prognose zukünftiger Bedarfe erfolgt bei der MTU aktuell durch die Überlagerung von Materialverbräuchen und Referenztriebwerken der Vergangenheit mit prognostizierten zukünftigen Anlieferungen von Triebwerken. Die mittelwertbasierte Bedarfsprognose, die derzeit quartalsweise durchgeführt wird, berücksichtigt bisher keine zeitliche Verteilung der Bedarfe innerhalb der Quartale, Streuungsparameter oder Konfidenzintervalle und -metriken.
Die Materialplanung bei der MTU ist außerdem mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden. Eine große Herausforderung besteht darin, dass die Materialbedarfe stark in Bezug auf die Menge und den Zeitpunkt schwanken. Eine weitere Herausforderung besteht darin, Trends zu erkennen. Es ist wichtig, frühzeitig zu erkennen, welche Materialien in naher Zukunft häufiger benötigt werden, um rechtzeitig genügend Bestände aufzubauen und Engpässe zu vermeiden. Ein weiteres Problem ist der hohe manuelle Aufwand zur Erstellung von Bedarfsprognosen. Die manuelle Planung von Materialien ist zeitaufwändig und fehleranfällig. Darüber hinaus besteht ein hoher wirtschaftlicher Druck, da hohe Bestandsmengen benötigt werden, um Unsicherheiten auszugleichen. Der hohe Bestand an Materialien ist jedoch auch mit hohen Kosten verbunden.
KI soll die Materialplanung verbessern
Die Materialplanung bei der MTU stellt also eine komplexe Aufgabe dar, die eine sorgfältige Planung und Anpassung erfordert, um den Anforderungen der Produktion gerecht zu werden. Durch die Entwicklung geeigneter Planungsmethoden und den Einsatz von modernen Technologien wie zum Beispiel Methoden der KI können diese Herausforderungen adressiert werden.
Im Rahmen eines Transferprojekts zwischen dem IFA und der MTU sollen Materialbedarfe unter Verwendung von Methoden der KI prognostiziert werden. Das Transferprojekt ist Teil des Sonderforschungsbereichs 871 zur Regeneration komplexer Investitionsgüter. Das Ziel von Transferprojekten ist es, Erkenntnisse der Grundlagenforschung an einem praktischen Anwendungsfall zu überprüfen. Für den Kooperationspartner – hier die MTU – hat ein solches Projekt das Potenzial, die Produktivität und Wirtschaftlichkeit zu steigern.
Erstellung von Materialbedarfsprognosen
Für den Aufbau des Modells zur Prognose von Materialbedarfen soll der CRISP-DM-Prozess (siehe Bild 3), ein etablierter Standard im Bereich der Datenanalyse, genutzt werden. CRISP-DM steht für „Cross Industry Standard Process for Data Mining”. Dieses Prozessmodell bietet einen Rahmen für die Planung, Durchführung und Überwachung von Data-Mining-Projekten in sechs Schritten: Verständnis der Betriebsabläufe, Verständnis der Daten, Vorverarbeitung der Daten, Modellierung, Evaluation und Umsetzung.
Ein wichtiger Bestandteil des zweiten Schritts und damit für das Verständnis der Daten ist die explorative Datenanalyse (EDA). Sie ermöglicht es, einen besseren Überblick über die Daten zu gewinnen und gezielte Anforderungen an das Modell zur Prognose von Materialbedarfen zu definieren. Dabei erfordert die EDA ein hohes Maß an Fachwissen und Erfahrung im Umgang mit Daten, um aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen.
Explorative Datenanalyse führt zu besseren Prognosemodellen
Die EDA ist eine Methode zur Untersuchung von Daten, um aussagekräftige Einblicke in die statistischen Eigenschaften, Trends und Muster der Daten zu gewinnen. Ein wichtiger Teil der EDA ist die Identifizierung und Entfernung von Ausreißern in den Daten. Ausreißer können nämlich die Prognose verzerren und somit die Prognosegüte mindern. Außerdem ist es wichtig, Trends und Muster in den vorliegenden Daten zu identifizieren. So kann das Modell zur Prognose von Materialbedarfen so entwickelt werden, dass beispielsweise Trendanstiege und saisonale Verhaltensweisen in den Daten berücksichtigt werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der EDA ist die Identifikation von Korrelationen zwischen Einflussfaktoren und den zu prognostizierenden Materialbedarfen. Durch die Identifikation dieser Zusammenhänge kann ein Prognosemodell erstellt werden, das diese Abhängigkeiten berücksichtigt und somit bessere Prognosen ermöglicht.
Schritte und Methoden der explorativen Datenanalyse
Für die EDA ist es notwendig, Daten zunächst zu sammeln, die Zielvariable und Einflussfaktoren zu definieren und zu verstehen, die Daten zu bereinigen, Korrelationen in den Daten zu identifizieren, passende Untersuchungsmethoden auszuwählen sowie die Ergebnisse zu visualisieren und zu analysieren.
Zur explorativen Untersuchung können univariate und multivariate Methoden eingesetzt werden. Univariate Methoden beschränken sich auf eine einzelne Variable. Multivariate Methoden berücksichtigen hingegen mehrere Variablen. Innerhalb der uni- und multivariaten Methoden können graphische sowie nicht-graphische Methoden unterschieden werden. Univariate graphische Methoden stellen beispielsweise Histogramme dar. Univariate nicht-graphische Methoden implizieren zum Beispiel Lage- und Streuungsparameter aus der beschreibenden Statistik. Scatter Plots stellen ein Beispiel für multivariate graphische Methoden dar und Kreuztabellen sind ein Exemplar für multivariate nicht-graphische Methoden.
Aktuell werden in dem Transferprojekt zwischen dem IFA und der MTU Anforderungen an das Modell zur Prognose von Materialbedarfen auf Basis der Ergebnisse der EDA definiert. Dafür werden mehrere der oben genannten Methoden eingesetzt.