Bei der Entwicklung von Ladetechnologien für Elektroautos stehen zwei wesentliche Herausforderungen im Fokus: die Ladekapazität und die Ladegeschwindigkeit. Am Aspekt der Ladegeschwindigkeit arbeiten mehr als 30 Partner aus sechs europäischen Ländern im Rahmen des EU-Projekts „Gallium Nitride for Advanced Power Application“ (GaN4AP).
Das Hauptziel ist, den Zeitunterschied zwischen dem elektrischen Aufladen und dem klassischen Tanken mit fossilen Treibstoffen so gering wie möglich zu halten. Um zu erläutern, wie das Forschungsprojekt diese Verbesserung anstrebt, sind die Grundlagen der Ladeelektronik wichtig.
Grundlagen und Forschungsüberblick über Ladeelektronik von Elektroautos
Das Transformieren von Spannungen auf möglichst geringem Raum erfordert hohe Frequenzen. Die Spannung aus der Steckdose besitzt eine niedrige Frequenz von 50 Hz, was relativ große Transformatoren und entsprechende Netzteile erfordert. Die Ladenetzteile für beispielsweise Handys oder Laptops sind trotzdem über die Jahre immer kleiner geworden, beziehungsweise können bei denselben Abmessungen immer höhere Ladeströme und Spannungen übertragen werden. Das wurde durch die Verwendung höherer Frequenzen als die Netzfrequenz (50 Hz) erreicht.
Um die höheren Frequenzen zu erzeugen, wird zunächst die Wechselspannung aus der Steckdose in Gleichspannung umgewandelt und anschließend über einen Schalter und diverse Filterelektronik wieder zur Wechselspannung mit einer höheren Frequenz wie etwa 1 kHz umgewandelt (Transformation im Frequenzbereich). Der Schalter vertauscht dabei die Pole der Gleichspannung mit der Schaltfrequenz, sodass eine Wechselspannung entsteht.
Ein mechanisches Schalten bei Frequenzen über 1 kHz ist für den Massenmarkt nicht umsetzbar, sodass elektrische Komponenten, sogenannte Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistoren (MOSFETs), zum Schalten verwendet werden. Die Transistoren werden auf Silizium aufgebaut. Es handelt sich hierbei um die gleichen Komponenten, die auch als Grundbasis von Prozessoren verwendet werden.
Galliumnitrid-MOSFETs zur Erhöhung der Ladegeschwindigkeit
MOSFETs besitzen drei Anschlüsse, wodurch sie als Schalter agieren können. Das Vorhandensein oder Fehlen einer Spannung am Gate-Anschluss (deutsch: Steuerelektrode) bestimmt, ob ein Strom vom Source-Anschluss (deutsch: Quelle) zum Drain-Anschluss (deutsch: Abfluss) fließen kann oder nicht. Um die Ladegeschwindigkeit zu erhöhen, wurden die Parameter der MOSFETs auf Silizium immer weiter ausgereizt. Die Forschung im Bereich der Ladetechnologie für Elektroautos ist jedoch mittlerweile an die Grenzen von Silizium gestoßen. Daher werden alternative Substratmaterialien erforscht, wie beispielsweise Galliumnitrid (GaN).
Galliumnitrid weist eine höhere Elektronenmobilität sowie eine höhere Isolationsbarriere auf und kann mit höheren Frequenzen arbeiten. Die erhöhte Elektronenmobilität reduziert den Schaltungswiderstand, sodass die Verluste beim Laden minimiert werden. Die höhere Isolationsbarriere erlaubt die Verwendung höherer Spannung an Ladesäulen, was bei gleichbleibendem Ladestrom eine gesteigerte Ladeleistung ermöglicht. Die höhere Frequenz wiederum ermöglicht eine Verkleinerung der Komponenten auf dem Board, einschließlich der induktiven Elemente.
Platz sparen durch planare induktive Komponenten
Induktive Komponenten bestehen aus einer Spule, die meistens um einen ferromagnetischen Kern gewickelt ist. Durch einen Stromfluss durch die Spule wird ein Magnetfeld erzeugt, das durch den Kern um den Permeabilitätsfaktor verstärkt wird.
Induktivitäten gehören zu den drei grundlegenden passiven Bauelementen, neben Widerständen und Kondensatoren, und werden für eine Vielzahl von Schaltungen benötigt. Durch die Verwendung von mehreren Spulen auf einem Kern können gekoppelte Systeme aufgebaut werden, sodass eine Übertragung, eine galvanische Trennung aber auch eine Transformation von Wechselspannungen ermöglicht wird. Ein Transformator als galvanische Trennung wird zum Beispiel bei der Ansteuerung der MOSFETs eingesetzt.
Im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelt das IMPT planare, platzsparende, induktive Komponenten. Diese Komponenten weisen eine maximale Höhe von 5 mm auf, wodurch neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet werden. Die induktiven Komponenten können entweder als Substratträger verwendet oder ähnlich einer Komponente als einzelnes Teil auf die Platine befestigt und elektrisch verbunden werden. Bei der letzteren Variante wird durch die planare Bauweise auch Platz gespart, der durch größere Elemente wie zum Beispiel Kühlelemente in Anspruch genommen werden kann.
Obwohl planare, induktive Komponenten bereits in der Leiterplattentechnik von Forschenden hergestellt werden können, stellen hohe Produktionskosten und das Fehlen eines Massenfertigungsprozesses eine Herausforderung dar. Die erzielte Platzersparnis steht bisher in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu den gestiegenen Kosten.
Kunststoffbasierte Transformatoren und Induktivitäten
Um eine kostengünstigere Produktion für den Massenmarkt zu ermöglichen, entwickelt das IMPT einen innovativen Herstellungsprozess, der nicht auf Leiterplatten basiert, sondern das Spritzgießen und den Kunststoff Polyetheretherketon (Tecacomp PEEK LDS black, Ensinger GmbH) nutzt. Bei diesem Ansatz entstehen sogenannte Molded Interconnect Devices (MIDs, deutsch: spritzgegossene Schaltungsträger); beziehungsweise MID-Induktivitäten und -Transformatoren.
Die MID-Induktivitäten und -Transformatoren werden durch einen zweistufigen Spritzgussvorgang produziert. Im ersten Schritt des Spritzgusses wird das Substrat erstellt, in das das Kernmaterial MnZn-Ferrit eingelegt wird. MnZn-Ferrite gehören zu den wenigen Materialien, die auch bei hohen Frequenzen von einem Megahertz noch hohe Permeabilitätswerte aufweisen. Im zweiten Schritt des Spritzgusses wird der Kern vollständig mit PEEK ummantelt. Zusätzlich ermöglichen Additive im PEEK, dass die Oberfläche mittels Laser aktiviert werden kann. Die aktivierte Oberfläche ermöglicht eine selektive Abscheidung von Kupfer, womit die Spulen um den Kern hergestellt werden. Nach diesem Prozess können die Induktivitäten und Transformatoren charakterisiert und in Demonstratoren integriert werden.
Vorteile von MID-Induktivitäten und -Transformatoren
Die MID-Induktivitäten und -Transformatoren weisen mehrere Vorteile gegenüber herkömmlichen Induktivitäten und Transformatoren in SMD-Bauweise auf. Das typische Wickeln von Induktivitäten, noch ausgeprägter bei Transformatoren, erfordert hochkomplexe und kostspielige Wicklungsmaschinen. Im MID-Prozess werden diese Maschinen vollständig durch ein Lasersystem und das stromlose Abscheiden ersetzt.
Die Verwendung des Lasersystems ermöglicht zudem eine unkomplizierte Anpassung des Spulendesigns. Ineinander gewickelte Spulen, die verbesserte Übertragungseigenschaften für Transformatorensysteme bieten, können leichter hergestellt werden. Da die MID-Komponenten bereits ein Kunststoffgehäuse besitzen, entfallen weitere Prozesse für die Gehäuseherstellung.
Kooperation mit Ensinger zur Produktion von MID-Transformatoren
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse hat sich eine konstante, industrielle Kooperation des IMPT mit der Ensinger GmbH entwickelt. Das Unternehmen bringt dabei seine Expertise im Spritzguss ein und kapselt die Ferritkerne durch den zweistufen Spritzguss. Das IMPT ist verantwortlich für das Design, die Auslegung, die Charakterisierung sowie in Teilen für die Laserstrukturierung und die Abscheidung von Kupfer.
Gemeinsam mit Ensinger treibt das IMPT die industrielle Produktion der MID-Transformatoren voran und unterstützt die Wende zur Elektromobilität.