Die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) sieht sich auf Grund der zunehmenden Dynamik und Komplexität in hochgesättigten Märkten mit immer mehr Anforderungen konfrontiert. Beispielsweise reicht eine rein ökonomische Bewertung des Produktionsprozesses nicht mehr aus – zusätzlich müssen auch ökologische und logistische Anforderungen erfüllt werden. In diesem Spannungsfeld muss zwangsläufig diejenige Entscheidung priorisiert werden, die pro eingesetzter Ressourceneinheit den größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolg für das Unternehmen bewirkt.
Bei dieser Entscheidung und der bestmöglichen Positionierung zwischen den drei konträren Anforderungen sollen in Zukunft intelligente Agenten für die Eigenfertigungssteuerung unterstützend zur Anwendung kommen.
Eigenfertigungssteuerung und deren Herausforderungen
Die Eigenfertigungssteuerung hat die Aufgabe, Produktionsaufträge einzulasten und während des Produktionsprozesses zu steuern. Primäres Ziel ist es, die Produktionsaufträge gemäß dem vorliegenden Produktionsplan abzuarbeiten und dabei anpassungsbedingte Änderungen zu berücksichtigen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Aufträge nach einer einheitlichen Logik erzeugt, freigegeben und in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden.
Im Sonderforschungsbereich (SFB) 1153 werden innovative Prozessketten zur Herstellung hybrider Hochleistungsbauteile durch eine Tailored-Forming-Technologie entwickelt. Diese werden im aufgezeigten Spannungsfeld ökonomisch, ökologisch und logistisch bewertet, um die Vorteilhaftigkeit der Technologie zu quantifizieren. Um das übergeordnete Ziel zu erreichen, belastungsangepasste hybride Massivbauteile unter Verwendung von gefügten Halbzeugen herzustellen, entwickelt das IFA ein integriertes PPS-Verfahren.
Vorteile von KI gegenüber etablierten Ansätzen
Etablierte Ansätze der Eigenfertigungssteuerung legen in erster Linie den Fokus auf die ökonomischen Analysen – neben einer logistischen Bewertung von Entscheidungen. Diese etablierten Verfahren basieren in der Regel auf Expertenwissen und Heuristiken. Der wesentliche Vorteil neuartiger KI-Methoden, der bei diesem Forschungsansatz genutzt wird, liegt in der gleichzeitigen Berücksichtigung einer Vielzahl an relevanten Merkmalen (Features) unter Einbeziehung umfangreicher Datensätze.
Die Integration ökologischer Faktoren stellt bei der Entwicklung des intelligenten Ansatzes eine große Herausforderung dar. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine spätere Anwendung in der Industrie eine gleichzeitige Berücksichtigung aller Restriktionen bedarf, gilt es neben den traditionellen ökonomischen und produktionslogistischen Faktoren Nachhaltigkeitsaspekte zu integrieren. Dadurch ergibt sich eine Kluft zwischen der zunehmenden Dynamik und Komplexität auf der einen Seite und wachsenden Anforderungen auf der anderen Seite. Durch die Nutzung moderner KI-Ansätze will das IFA diese Kluft überbrücken.
KI in der Eigenfertigungssteuerung
KI stellt eine Vielzahl von Methoden bereit, die das Potenzial haben, der beschriebenen Komplexität entgegenzuwirken. Die vorhandenen Stammdaten und Bewegungsdaten in Unternehmen, die beispielsweise durch den Einsatz moderner ERP- und MES-Systeme generiert wurden, können durch den Einsatz solcher Methoden und Ansätze effizient genutzt und nahtlos in die Eigenfertigungssteuerung integriert werden.
KI ermöglicht die schnelle Verarbeitung großer Datenmengen und die automatisierte Entscheidungsfindung. Im Rahmen der Entwicklungen im Bereich Industrie 4.0 und den damit verbundenen technologischen Fortschritten wie Radio-Frequency Identification (RFID) wurde eine wesentliche Grundlage für eine kosteneffiziente Datenerfassung geschaffen, die wiederum die Grundlage für den Einsatz von KI-Anwendungen bildet.
Intelligenter Agent lernt, Entscheidungen zu treffen
Der Einsatz von Reinforcement Learning (RL) ist ein solcher innovativer Ansatz zur Bewältigung der Komplexität der Eigenfertigungssteuerung und wird im SFB 1153 vorangetrieben. Dabei handelt es sich um eine Methode aus dem Bereich des maschinellen Lernens, bei der ein intelligenter Agent durch Interaktionen lernt, sequentielle Entscheidungen zu treffen. Im Rahmen des SFB 1153 entwickelt das IFA derzeit einen solchen Agenten. Dieser wird mit Hilfe von Q-Learning beziehungsweise Policy-Gradienten für eine ganzheitliche Eigenfertigungssteuerung trainiert, welche sowohl ökonomische und logistische als auch ökologisch Restriktionen berücksichtigt.
Erste Analysen haben ergeben, dass der zu Grunde gelegt Ansatz in der Lage ist, Anforderungen besser zu erfüllen als etablierte Industriestandards und damit das Potenzial hat, die logistische Leistungsfähigkeit der Eigenfertigungssteuerung zu verbessern und eine bessere Positionierung im Spannungsfeld der Zielgrößen zu realisieren.
Aktuell erfolgt die Identifikation und Exploration zusätzlicher potenzieller Maßnahmen und Einflussfaktoren, die dazu dienen, den intelligenten Agenten in einem schrittweisen Prozess weiterzuentwickeln und zu optimieren. Diese Untersuchungen zielen darauf ab, die Effektivität und Leistungsfähigkeit des intelligenten Agenten zu steigern. Die schrittweise Verbesserung betont die kontinuierlichen Fortschritte in der Forschung und Entwicklung im Bereich der KI sowie den zunehmenden Erkenntnisgewinn im Rahmen des SFB 153. Der Optimierungsprozess erweitert kontinuierlich die Anpassungsmöglichkeiten des Agenten, um seine Effizienz und Anwendbarkeit zu steigern. Damit wird das Ziel verfolgt, in der Produktion immer leistungsfähigere, leichtere und kleinere Bauteile unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und logistischer Ziele herstellen zu können.