Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffbranche
Die Einführung der Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie ist überfällig. Lückenhafte Abfallwirtschaftssysteme führen zur Verschmutzung der Natur. Das gesellschaftliche Umweltbewusstsein wächst, Konsumenten kaufen bevorzugt Recyclingprodukte – und zwingen immer mehr Unternehmen zum Umdenken. Gleichzeitig ist die Wiederverwertung von Kunststoffen eine Herausforderung.
Daher muss ein Kreislaufwirtschaftsmodell entwickelt werden, in dem die nach der Produktion (post-industrial oder pre-consumer) sowie nach der Nutzungsphase von Produkten (post-consumer) anfallenden Kunststoffabfälle möglichst effektiv recycelt und verwertet werden können.
Was erschwert das Recycling von Kunststoff?
Die Herausforderung dabei ist, möglichst sortenreine Kunststoffabfälle zu generieren, um die Wiederverwertung zu optimieren. Anders als bei Werkstoffabfällen wie Metall, Glas oder Papier muss das System für Kunststoffabfälle technologisch eine deutlich breitere Material-, Produkt- und Designvielfalt abdecken. Diverse Recyclingansätze wie beispielsweise mechanisches, chemisches oder lösemittelbasiertes Recycling werden heutzutage eingesetzt. Dabei ist das mechanische Recycling schon weit entwickelt, während bei den anderen Verfahren meist noch an der Skalierung gearbeitet wird und auch noch viel Forschungsarbeit notwendig ist.
Neben den technologischen Aspekten ist die Logistik und das Vorhandensein von ausreichend Kunststoffabfällen die Voraussetzung für eine Kunststoffkreislaufwirtschaft. Aktuell übersteigt die Rezyklatnachfrage am Markt das Angebot, trotz der bekannten Müllmengen in der Natur. Das Gebot lautet: Kunststoffe müssen dort ankommen, wo sie recycelt werden können, um später als Rezyklat in aller Welt verarbeitet werden zu können.
Kunststoffrezyklate einheitlich charakterisieren: DIN SPEC 91446
Die regional teilweise stark unterschiedlichen gesetzlichen und normativen Vorgaben als auch die historisch in der Praxis unterschiedlich etablierten Begrifflichkeiten sowie die bisher völlig unzureichenden normativen Vorgaben zur Qualitätsbeschreibung von Kunststoffrezyklaten erschweren die Einführung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
Um diese Herausforderung zu überwinden, hat sich im Jahr 2021 ein Konsortium gebildet – bestehend aus 16 Mitgliedern aus Industrie, Wissenschaft und Verbänden unter der fachlichen Leitung des IKK – und eine erste Norm für Kunststoffrezyklate entwickelt. Initiiert von der cirplus GmbH, die einen virtuellen Marktplatzes für Kunststoffabfälle und Rezyklate gegründet hat und dazu auf Standards für die Bewertung von Rezyklaten angewiesen war, gibt es nun seit Jahresanfang die „DIN SPEC 91446, Klassifizierung von Kunststoff-Rezyklaten durch Datenqualitätslevels für die Verwendung und den (internetbasierten) Handel“.
Da diese Norm explizit zur Charakterisierung von Kunststoffrezyklaten entwickelt wurde, legt sie einen besonderen Wert auf die Historie des Materials und auf die international standardisierte Ermittlung der materialtechnischen Eigenschaften sowie das richtige Wording.
Data Quality Levels (DQL) für Kunststoffrezyklate
Dabei werden die Kunststoffrezyklate nach der Informationstiefe in vier Data Quality Levels (DQL) eingestuft (siehe Bild 2). Je mehr Informationen zu einem Rezyklat vorliegen, desto höher die DQL-Kategorisierung und desto höher auch der monetäre Wert und die Vermarktbarkeit. So vereinfacht diese Norm die Kommunikation zwischen internationalen B2B-Entscheidern und fördert indirekt eine schnelle Markteinführung von neuentwickelten Kunststoffrezyklaten, da die neuentwickelten hochwertigen Kunststoffrezyklate nach einer in der Industrie bekannten Norm charakterisiert werden.
Um ein Kunststoffrezyklat nach DIN SPEC 91446 für die niedrigste Stufe DQL 1 zu charakterisieren, reicht es, wenn der Rezyklatanteil eines Materialtyps (PE, PP, PET, u. a.) anhand einer vorgegebenen Prozedur ermittelt wird.
Im Gegensatz dazu setzt die Charakterisierung nach dem höchsten DQL 4 zusätzlich eine ausführliche Beschreibung der Rezyklathistorie und der materialtechnischen Eigenschaften voraus. Hierzu gehören beispielweise das Vorhandensein von Füllstoffen und Farben, die eingesetzte Recyclingtechnologie, der Rezyklatzustand, die Abfallquelle, die Anteilsmengen anderer Kunststoffe (ermittelt mit vorgegebenen Messmethoden), die primäre Nutzung vor der Entsorgung beziehungsweise die Beschreibung des Abfalls (Flaschen oder Gebinde, Spritzgießteile, gemischte Kunststoffabfälle) sowie eine normgerechte Bestimmung der materialtechnischen Eigenschaften wie Viskosität, Glührückstand, Restfeuchtigkeit, Dichte, Schüttdichte, thermische und mechanische Eigenschaften, und vieles mehr.
Rezyklat, Mahlgut, Regranulat: DIN SPEC schafft einheitliche Definitionen
Neben der Charakterisierung der Materialeigenschaften definiert die DIN SPEC wichtige Begriffe wie Rezyklat, Mahlgut, Regranulat oder Recompound im Kontext des Kunststoffrecyclings. Diese Begriffe sind nicht geschützt und werden in der internationalen Praxis teilweise unterschiedlich verwendet.
Die entwickelte Norm definiert das „Rezyklat“ als einen Oberbegriff (siehe Bild 3) für
- „Mahlgut“ – zerkleinerter Inputstrom, welcher in manchen Anwendungen wie dem Bauwesen direkt in der Produktion eingesetzt wird
- „Regranulat“ – durch ein Umschmelzverfahren wie die Extrusion verarbeiteter Inputstrom ohne Änderung der Zusammensetzung
- „Recompound“ – durch Zugabe von Neuware oder Additiven im Umschmelzverfahren modifizierter Inputstrom
Darüber hinaus macht sie klare Vorgaben wie der Rezyklatanteil richtig zu berechnen und anzugeben ist.
Technologietransfer von der Forschung in die industrielle Praxis
In seinen anwendungsorientierten Forschungsprojekten hat das IKK häufig an der richtigen Charakterisierung von Rezyklaten gearbeitet. Diese Erfahrungen sind in die DIN SPEC mit eingeflossen und so charakterisiert das IKK nun alle entwickelten Kunststoffrezyklate nach der DIN SPEC 91446, DQL 4, um zusammen mit Industriepartnern eine zeitnahe Umsetzung und einen Einsatz hochwertiger Rezyklate in die Praxis zu ermöglichen.
Doch nicht nur im Bereich der Materialentwicklung von Rezyklaten, sondern auch im Bereich der Prozess- und Technologieentwicklung ist es für den schnellen Forschungstransfer entscheidend, einheitliche Definitionen zu verwenden. Somit spielen Normen eine wesentliche Rolle beim Transfer von Forschungserkenntnissen in die Praxis.
Für die Zukunft ist geplant, auf Basis der DIN SPEC 91446 weiterführende kunststoff- und branchenspezifische Unternormen zur Charakterisierung von Kunststoffrezyklaten zu entwickeln, welche unter anderem die speziellen Anforderungen einzelner Anwendungen berücksichtigen oder für bestimmte Materialtypen wie zum Beispiel Polyamide spezifisch sind.