Das Ziel von Simulationen in der Umformtechnik ist es, Prozessgrößen schon in der Auslegungsphase vorherzusagen. So können Ingenieure den Prozessentwurf zielgerichtet anpassen, Bauteile effizient auslegen und kostenintensive experimentelle Untersuchungen auf ein Minimum reduzieren.
Für Werkstoffe aus dem traditionellen Maschinenbau – beispielsweise Stahl – sind solche Simulationen sehr zuverlässig. Die konventionell verwendeten Materialmodelle sind so weit optimiert, dass sich selbst komplizierteste Prozesse berechnen lassen. Anders sieht es im hybriden Leichtbau aus: Dafür existieren nur wenige zuverlässige Simulationsmethoden.
Hybrider Leichtbau: Unterschiedliche Materialen erschweren die Simulation
Oberstes Ziel beim Entwurf von Leichtbauteilen ist es, die Bauteilmasse zu reduzieren und gleichzeitig die Steifigkeit und Festigkeit zu erhalten. Eine Möglichkeit ist die sogenannte hybride Bauweise, bei der unterschiedliche Materialien in einer Bauteilkomponente beanspruchungsgerecht vereinigt werden. Für den Simulationsingenieur ist das eine echte Herausforderung – schließlich sollen unterschiedliche Materialien mit stark variierenden Eigenschaften gleichzeitig umgeformt werden.
Neue Simulationsmethoden für den hybriden Leichtbau entwickelt das Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) im Verbundprojekt ProVorPlus. In diesem Projekt arbeiten mehrere Institute der Leibniz Universität Hannover, der Technischen Universität Braunschweig sowie der Technischen Universität Clausthal mit Partnern aus der Industrie zusammen. Ihr gemeinsames Ziel ist die Entwicklung von großserientauglichen Fertigungs- und Produktionstechnologien für die Herstellung hybrider Leichtbaukomponenten aus Metallen, Kunststoffen und textilen Strukturen.
Faserverstärkte Kunststoffe: IFUM entwickelt Materialmodell
Im Projekt ProVorPlus entwickeln die Forscher einen Leichtbau-Prozess zur Herstellung einer Batteriewanne aus Organoblech. Organobleche sind faserverstärkte Kunststoffe: Sie bestehen aus einem Fasergewebe, das in eine thermoplastische Matrix eingebettet ist. Zur Umformung wird das Organoblech in einem Ofen erwärmt und im Anschluss zur Presse transportiert. Die dafür nötige Handhabungstechnik erforscht das Institut für Montagetechnik (match), das IFUM beschäftigt sich mit der Umformung des Bauteils und der numerischen Modellierung des Prozesses.
Das Materialmodell, das die Forscher für die Abbildung des Organoblechs entwickeln, soll die Eigenschaften des Fasergewebes mit den Eigenschaften der thermoplastischen Matrix vereinen. Um die Materialkennwerte experimentell zu ermitteln, müssen die Forscher zunächst Methoden entwickeln, mit denen es möglich ist, die unterschiedlichen Eigenschaften des Gewebes sowie der Matrix isoliert voneinander zu bestimmen. Dafür setzen sie schon auf der Ebene des experimentellen Versuchs Simulationen ein und rechnen die experimentellen Ergebnisse entsprechend um.
Deformation und Versteifung: Herausforderungen für die Simulation
Eine weitere Herausforderung besteht im Verformungsverhalten des Organoblechs während der Umformung. Ein Hauptverformungsmechanismus des Organoblechs ist die Scherung. Aufgrund der komplexen Geometrie treten während der Organoblechumformung Bereiche auf, in denen das Gewebe sowohl stark geschert als auch gebogen wird. Da die Batteriewanne über eine Tunnelgeometrie verfügt, wird das Gewebe in einem großen Prozessparameterbereich aufgestaut – sowohl im realen als auch simulierten Prozess. Parallel zur starken Deformation kühlt die thermoplastische Matrix an der Werkzeugwand lokal ab und verfestigt sich – das führt zu hohen Steifigkeitsgradienten im Material.
Die starken Deformationen und Belastungszustände sind numerisch schlecht zu handhaben. Dadurch wird eine präzise Beschreibung dieser physikalischen Prozesse erschwert. Zur Lösung dieser Herausforderung wollen die Forscher zu große Steifigkeitsunterschiede unterdrücken. Die damit einhergehenden geringeren Gewebescherungen im Simulationsmodell ergeben ein leicht verändertes Verformungsbild, ermöglichen aber eine weitestgehend stabile Berechnung.
Zukunftsvision: Leichtbauteile in Großserie
Geeignete Berechnungsmethoden machen es in Zukunft möglich, Fertigungsprozesse für Leichtbauteile effizient auszulegen. Indem die numerische Simulation kostspielige und zeitintensive technologische Vorversuche obsolet macht, kann die Prozessauslegung wesentlich schneller und günstiger erfolgen. Dies wiederum erhöht die Akzeptanz von Leichtbaumaterialien in der Serienfertigung und ermöglicht den großflächigen Einsatz von Leichtbauteilkomponenten in der Automobilindustrie.