Den Sauerstoffgehalt auf bisher nicht erreichbare Werte reduzieren: Das ist das Ziel des neuen Sonderforschungsbereichs 1368. In einer sauerstofffreien Umgebung können ganz neue, energieeffiziente und ressourcenschonende Prozesse und eine insgesamt effizientere Produktion realisiert werden. Vielfältige neue Produkteigenschaften und ein echter Technologiesprung werden so ermöglicht.
Oxidation als Störfaktor
Durch den Sauerstoff in der Umgebung bilden sich Oxidschichten auf Metalloberflächen. „Diese Oxidschichten erschweren zum Beispiel das Fügen von Werkstücken“, sagt Professor Hans Jürgen Maier – also beispielsweise das Schweißen, das Löten und die additive Fertigung. In einer Umgebung ohne Sauerstoff ließen sich oxidschichtfreie Werkstoffe verarbeiten. Und nicht nur beim Fügen erwartet Maier große Vorteile: „Ebenso könnte der Verschleiß von Werkzeugen beim Spanen und Umformen durch die Abwesenheit von Sauerstoff signifikant reduziert werden.“
Maier ist Direktor des Instituts für Werkstoffkunde (IW) am Produktionstechnischen Zentrum Hannover (PZH) und Sprecher des neuen Sonderforschungsbereichs, der zum 1. Januar 2020 offiziell startet. Der SFB wird in den kommenden vier Jahren mit rund 9,5 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Anschließend ist eine Verlängerung auf acht bis maximal zwölf Jahre möglich.
Sauerstofffreie Umgebung wie im Weltraum
Die Oxidation lässt sich bisher nicht überwinden. Denn in jedem technisch realisierbaren Vakuum sind immer noch zu viele Sauerstoffatome vorhanden. Dasselbe gilt für die Argon-Schutzgasatmosphäre, die beispielsweise beim Schweißen eingesetzt wird.
Um erstmals produktionstechnische Verfahren unter völliger Sauerstofffreiheit zu realisieren, verfolgen die Wissenschaftler des SFB einen innovativen Ansatz: „Wir werden dem Argon eine kleine Menge Silan zugeben“, erklärt Dr. Sebastian Herbst, Wissenschaftler am IW und künftiger Geschäftsführer des SFB. „Silan, also SiH4, ist extrem wirksam: Das Silicium reagiert mit dem Sauerstoff in der Umgebung, sodass Siliciumdioxid und Wasser entstehen. Auf diese Weise erzeugen wir eine Sauerstofffreiheit, die derjenigen im interstellaren Raum entspricht.“
Von den Grundlagen bis zur Anwendung
Etwa 40 Wissenschaftler aus verschiedenen Fachdisziplinen beschäftigen sich in den kommenden vier Jahren mit grundlegenden Fragestellungen, beispielsweise: „Was passiert in einer sauerstofffreien Umgebung an genau der Stelle, an der ein Laserstrahl auf Metall trifft?“, so Herbst.
Dieser Fokus soll sich nach und nach ausweiten, bis die Wissenschaftler konkrete produktionstechnische Verfahren erforschen und entwickeln – darunter das Urformen, Umformen, Fügen, Trennen und Beschichten in einer sauerstofffreien Umgebung. „Wir werden in unserem Team eine wirklich neue Art zu produzieren in den Blick nehmen, von den Grundlagen bis in die Anwendung“, sagt Professor Maier.
Zum Team des SFB 1368 gehören insgesamt sechs Institute des Produktionstechnischen Zentrums Hannover (PZH). Außerdem beteiligen sich das Institut für Produktentwicklung und Gerätebau sowie das Institut für Verteilte Systeme der Leibniz Universität Hannover, das Laser Zentrum Hannover und vier Institute der Technischen Universität Clausthal.