Die Erkundung des Weltalls und damit auch der Himmelskörper schreitet stetig voran. Obwohl in der Öffentlichkeit vor allem Forschungsarbeiten hinsichtlich erdnaher Himmelskörper wie Mond und Mars bekannt sind, rückt auch die Untersuchung kosmischer Kleinkörper immer mehr in den Vordergrund. In der jüngeren Vergangenheit gab es bereits einige Missionen zur Erforschung von Kometen und Asteroiden, wie die Missionen DART oder Rosetta – jedoch ist hier der Planungs- und Kostenaufwand sehr hoch.
Kometenforschung am Einstein-Elevator
Allerdings ist nicht immer eine Weltraummission erforderlich, um die Eigenschaften dieser Kleinkörper zu erforschen und ihre Interaktion mit äußeren Umgebungsbedingungen zu untersuchen.
Das Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover hat zusammen mit dem Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik (IGEP) der Technischen Universität Braunschweig das Projekt „Aktivität von Kometen unter partieller Schwerkraft“ (AKUS) ins Leben gerufen. Mit diesem soll Kometenforschung am Einstein-Elevator ermöglicht werden.
Ziel ist es, die Oberflächenaktivität von Kometen, durch die unter anderem der Schweif resultiert, besser nachvollziehen zu können (siehe Bild 1). Insbesondere der Masseverlust durch die Sonneneinstrahlung unter Berücksichtigung der vorherrschen Gravitationslevel dieser Himmelskörper soll berücksichtigt werden. Dadurch können Rückschlüsse zum einen über die Planetenentstehung in unserem Sonnensystem und zum anderen über Bahnveränderungen von Kometen getroffen werden.
Untersuchung kometenähnlicher Proben unter realistischen Gravitationsbedingungen
Um im AKUS-Projekt das Verhalten von Kleinkörpern nachempfinden zu können, stellen die Wissenschaftler:innen aus Braunschweig mit dem „Comet Physics Laboratory“ (CoPhyLab) kometenähnliche Proben her. Eine solche Simulationsprobe besteht aus einer soliden Eisfläche, die mit einer selbst hergestellten Staubschicht bedeckt ist, um die Oberfläche eines Kometen bestmöglich abzubilden.
Das ITA hingegen beschäftigt sich mit der Entwicklung eines Antriebssystems zur Realisierung von Gravitationsbedingungen im Bereich von 10-2 bis 10-4 g, ähnlich den Bedingungen, die auf Kometen und anderen kosmischen Kleinkörpern vorherrschen. Abhängig von der steigenden Temperatur und dem resultierenden Gasdruck der Probe und dem Gravitationsniveau soll der Staubauswurf beobachtet werden.
Grundlage für die Forschung zum Mining von kosmischen Kleinkörpern
Dass die Erforschung von Asteroiden und Kometen an Bedeutung gewinnt, zeigt sich auch an der am 24.September 2023 gesammelten Asteroidenprobe der NASA-Sonde OSIRIS-REx. Die Sonde sammelte auf dem Asteroiden Bennu eine Gesteinsprobe, die unter anderem wasserbindende Tonminerale enthält.
Mit der erfolgreichen Umsetzung des AKUS-Projekts ergibt sich auch in Hannover ein Standort für die Erforschung kosmischer Kleinkörper. Aber nicht nur die physikalische Grundlagenforschung wäre damit möglich. Auch Forschungsprojekte, die sich mit dem Abbau von Rohstoffen auf diesen Himmelskörpern – dem sogenannten Space Mining – beschäftigen, wären in Zukunft durch die Umsetzung des AKUS-Projekts denkbar.
Der Einstein-Elevator und seine Besonderheiten
Die notwendige Grundlage für das AKUS-Verbundvorhaben liefert der Einstein-Elevator an der Leibniz Universität Hannover. Dieser ist ein Freifallturm der dritten Generation und ermöglicht die Simulation von Mikrogravitation („Schwerelosigkeit“) sowie weitere einstellbare Gravitationsbedingungen. Die drei wesentlichen Kernkomponenten des Einstein-Elevators sind die Linearantriebe, die Gondelführung und die Gondel selbst, in der sich der Experimentträger und damit auch die Experimente befinden.
Zur Erzeugung von Mikrogravitation wird die Gondel zunächst für 0,5 s mit 5 g beschleunigt. Anschließend wird der Experimentträger vom Gondelboden entkoppelt und es kommt zum sogenannten freien Fall, bei dem für 4 s Mikrogravitation simuliert wird. Abschließend erfolgt die Abbremsphase mit 5 g, die wiederrum auch 0,5 s ausmacht.
Neben der Turm-in-Turm-Konstruktion, die die Führung der Gondel von der Antriebsführung trennt, wird die Qualität der Mikrogravitation zusätzlich durch die Erzeugung eines Vakuums von 10-2 mbar innerhalb der Gondel gesteigert. Dies ermöglicht eine akustische Auskopplung des Experiments von der Gondelumgebung. Die im Experimentträger montierten Versuchsaufbauten können dagegen unter Normalatmosphäre genutzt werden, da bei Bedarf der Experimentträger mit einer Druckhülle versehen werden kann.
Minimalbeschleunigungen während der Schwerelosigkeit
Am Einstein-Elevator sind bis jetzt neben der Mikrogravitation nur simulierte Gravitationsbedingungen im Bereich von 0,1 bis 5 g umsetzbar. Die Proben sollen daher mithilfe eines weiteren Antriebskonzepts während der Freifallphase beschleunigt werden. Mit der erfolgreichen Umsetzung dieses Projekts würde sich der nutzbare Bereich simulierter Gravitationsbedingungen am Einstein-Elevator auch auf sehr kleine Gravitationen erweitern.
Das AKUS-Experiment selbst besteht aus einer Vakuumkammer, in der sich die kometenähnliche Probe befindet (siehe Bild 2). Die Kammer ist für ein Vakuum von bis zu 10-6 mbar ausgelegt. Die Probe ist innerhalb der Kammer mit vakuumtauglichen Spindelachsen verbunden. Die Achsen werden von außerhalb der Vakuumkammer befindlichen Motoren und den damit verbundenen Drehdurchführungen angetrieben. Dadurch wird vermieden, dass vakuumtaugliche Motoren genutzt werden müssen. Ein weiterer Vorteil ist, dass zum einen die Größe der Vakuumkammer und zum anderen somit das Gesamtgewicht des Experiments abnimmt. Denn die zulässige Gesamtmasse des Experiments von 1000 kg darf nicht überschritten werden. Aus diesem Grund müssen die Kammer und die inneren Komponenten möglichst kompakt aufgebaut sein.
In diesem Zusammenhang müssen auch die Belastungen und Schwingungen, die vor allem während der 5 g-Phase entstehen und auf die Komponenten wirken, berücksichtigt und minimiert werden. Des Weiteren muss der Schwerpunkt des Gesamtaufbaus im Zentrum liegen, um Rotationen beziehungsweise Translationen des Experimentträgers zu vermeiden. Erfolgt die Reduktion dieser Einflüsse nicht gut beziehungsweise früh genug, verkürzt sich das 4-sekündige Zeitfenster des Experiments.
Untersuchungen der Probe mit Kameras und Sensorik
Zur Messung und Regelung der Beschleunigung wird ein Beschleunigungssensor verwendet, der für den niedrigen Beschleunigungsbereich ausgelegt ist. Der Staubabwurf der Probe wird mithilfe von zwei Kameras beobachtet, wobei sich eine seitlich und die andere oberhalb der Probe befindet. Neben diesen wird ein Temperatursensor zur kontinuierlichen Messung der Probentemperatur verwendet.
Neben bereits simulativ durchgeführten Arbeiten soll nach Erhalt der Vakuumkammer (siehe Bild 3) in diesem Jahr ein Vakuumtest mit den vorgesehenen Drehdurchführungen erfolgen. Weitere Vorversuche, insbesondere der Antriebe, werden im Jahr 2024 angestrebt.