Bei REM-Untersuchungen rastert ein fein fokussierter Elektronenstrahl Proben Zeile für Zeile ab, ähnlich der Bildentstehung bei alten Röhrenfernsehgeräten. Durch Wechselwirkung des Elektronenstrahls mit der Probe entstehen verschiedene Signale, die mit Detektoren aufgenommen und in ein Bild umgewandelt werden können. Damit lassen sich Details darstellen, die deutlich kleiner als 1 Mikrometer sind. Zum Vergleich: Frischhaltefolie, wie sie im Haushalt verwendet wird, hat eine Stärke von circa 10 Mikrometern. „Durch die REM-Untersuchungen können wir die Materialstruktur von Kunststoffproben analysieren oder zum Beispiel auch das Alterungs- und Versagensverhalten charakterisieren“, erklärt Dr. Florian Bittner, Bereichsleiter Materialprüfung am IKK.
Verbesserte Material- und Recyclingkonzepte
So ist es dem Team möglich, den Aufbau von komplexen Materialverbünden, wie sie beispielsweise im Verpackungsbereich eingesetzt werden, genau zu analysieren, um daraus neue Recyclingstrategien zu entwickeln. Aktuell lassen sich diese Materialien nur schwer recyceln. Sie gelangen daher in den Sortieranlagen zumeist in die Charge der energetischen Verwertung und werden nach einmaliger Nutzung verbrannt.
Komplementiert wird das neue analytische Rasterelektronenmikroskop (REM) durch eine Kryo-Argonionenpolitur für die Probenvorbereitung. Dabei wird mit einem Argonionenstrahl eine Schnittfläche in den Probenmaterialen erzeugt, um die innere Struktur freizulegen und bewerten zu können. Im Vergleich zu anderen Verfahren erfolgt dies sehr materialschonend und ist damit insbesondere für Kunststoffe von großem Vorteil. Beispielsweise lassen sich damit biologisch teilweise abgebaute Kunststoffproben untersuchen, um die Vorgänge des Materialabbaus im Probeninneren zu verfolgen. Ein Verständnis dieser Abbauvorgänge ist insbesondere dann wichtig, wenn es sich um Materialien handelt, die unvermeidlich in Teilen oder als Ganzes an Land und im Meer zurückbleiben, wie beispielsweise Agrarfolien oder Fischernetze. „Je mehr wir über das Abbauverhalten dieser Produkte wissen, desto besser wird es uns gelingen, Alternativen zu entwickeln, die mit ihrem Verbleib in der Umwelt weniger negative Auswirkungen auf sie haben“, ist sich Bittner sicher.
Auch Materialverbünde wie Mehrschichtfolien oder Mischtextilien können auf diese Weise eingehend in ihrer Struktur und Zusammensetzung untersucht werden, um damit entscheidendes Wissen für neuartige Recyclingansätze zu erhalten.
Das „Kryo“ im Namen des REM, das sich auf die extrem niedrigen Verarbeitungstemperaturen bezieht, ist für die Forschungsaktivitäten am IKK aktuell weniger relevant – umso mehr aber für das Institut für Mehrphasenprozesse (IMP), mit dem es gemeinsam betrieben wird. Dort wird es unter anderem im Forschungsfeld der Kryotechnik einsetzt.
Laborequimpent zur Probenvorbereitung
Außerdem ist das Labor mit einem Mikrotom ausgestattet, einer Art Schneidgerät, das für die Untersuchungen dünne Schichten von Proben abtrennt. Mit einem Präzisionstrenngerät können aus voluminösen Proben kleinere Proben herausgeschnitten werden. Ein Sputtercoater dient dazu, Proben mit sehr dünnen Metallschichten, zum Beispiel Gold, zu beschichten. Dadurch werden die Proben elektrisch leitfähig, was die Bildgebung im REM erleichtert. Dies ist insbesondere für Kunststoffproben relevant, da diese in der Regel nichtleitend sind.
Durch die neue Ausstattung wird das IKK zukünftig dazu in der Lage sein, die in den verschiedenen Projekten betrachteten polymeren Materialien in ihrer Mikrostruktur zu analysieren, um damit Wirkzusammenhänge noch besser zu verstehen und in die Materialentwicklung einfließen zu lassen.